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Umgangs- und Sorgerechts-Blog
Antrag auf alleiniges Sorgerecht erfolgreich!

Antrag auf alleiniges Sorgerecht erfolgreich!

Matthias Bergmann

Inhaltsverzeichnis

Antrag auf alleiniges Sorgerecht des Vaters erfolgreich – OLG Frankfurt

Erfolgreicher Antrag auf alleiniges Sorgerecht für den Vater durch Rechtsanwältin Stefanie Kracke.

Rechtliche Grundlagen

Der Antrag auf alleiniges Sorgerecht gem. § 1671 BGB ist oft ein sehr schwieriges Verfahren. Bevor Sie einen Antrag auf alleiniges Sorgerecht stellen müssen Sie für und wider mit einem im Sorgerecht erfahrenen Anwalt für Familienrecht besprechen. Buchen Sie dazu gerne eine Erstberatung bei uns.

Antrag auf gemeinsames Sorgerecht ohne Aussicht?

Besonders schwierig ist die Situation von Vätern, die nicht das gemeinsame Sorgerecht haben. Grundsätzlich steht diesen zwar der Antrag auf gemeinsames Sorgerecht gem. § 1626 a BGB zur Verfügung. Gerade wenn die Eltern aber sehr verstritten sind, kann der Antrag auf gemeinsames Sorgerecht gem. § 1626a BGB scheitern. Was also tun, wenn kein gemeinsames Sorgerecht vorliegt und der andere Elternteil das alleinige Sorgerecht inne hat?

Antrag auf alleiniges Sorgerecht für Vater ohne Sorgerecht?

Prinzipiell steht in solchen Fällen dem Vater der Antrag auf alleiniges Sorgerecht gem. § 1671 II Nr. 2 BGB zur Verfügung. Demnach ist zunächst zu prüfen, ob die gemeinsame Sorge möglich ist. Wenn ja, so hat das Gericht die gemeinsame elterliche Sorge der Eltern herzustellen. Wenn die gemeinsame Sorge der Eltern nicht möglich ist, so ist dem Vater das alleinige Sorgerecht zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes besser dient.
Gerade wenn die Kinder bei der Mutter leben müssen für einen so deutlichen Wechsel der Verhältnisse erhebliche Gründe vorliegen. Daher sollte ein Antrag auf alleiniges Sorgerecht nicht ohne sehr kritische Prüfung (gerade auch in Hinblick auf die Belastung der Kinder) gestellt werden. Die Aussichtschancen eines Antrages auf alleiniges Sorgerecht sollten Sie immer mit einem Anwalt für Familienrecht sorgfältig erörtern. Gerne beraten wir Sie dazu in einer Erstberatung.

Antrag auf alleiniges Sorgerecht: Ablauf und Ergebnis

Amtsgericht: Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Vater

In dem vorliegenden Sorgerechtsverfahren vor dem Familiengericht Fulda beantragte Rechtsanwältin Stefanie Kracke für den Kindesvater zunächst die Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Nachdem das durch uns begleitete Sachverständigengutachten sich deutlich für die Übertragung der alleinigen Sorge auf den Vater ausgesprochen hat, stellten wir dann den Antrag auf alleiniges Sorgerecht für den Vater.
Das Familiengericht Fulda folgte unserem Antrag auf alleiniges Sorgerecht. Beim Familiengericht Fulda wurde also das Sorgerecht komplett auf den Kindesvater übertragen.

Oberlandesgericht: Alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht des Kindesvaters und sonst gemeinsames Sorgerecht

Die Mutter ging gegen diesen Beschluss in die Beschwerde. Im Beschwerdeverfahren vor dem 2. Familiensenat in Kassel des OLG Frankfurt am Main prüften die Richter sehr sorgfältig die einzelnen rechtlichen Fragen der sorgerechtlichen Situation. Bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechtes blieb unser Antrag auf alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht erfolgreich. Bezüglich der weiteren elterlichen Sorge stellte das Oberlandesgericht das gemeinsame Sorgerecht der Eltern her.
Das Oberlandesgericht war der Auffassung, dass die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern nicht so schlecht sei, dass ein vollständiger Entzug des Sorgerechts der Mutter nötig sei. Das gemeinsame Sorgerecht entspräche dem Wohl der Kinder am besten.

Vom Ausgangspunkt der Situation eines Vaters ohne Sorgerecht und einer allein sorgeberechtigten Mutter konnte Frau Rechtsanwältin Kracke hier also einen durchgreifenden Erfolg erreichen.

Beschluss Amtsgericht: Alleiniges Sorgerecht des Vaters

Amtsgericht Fulda
Beschluss

In der Kindschaftssache
betreffend die elterliche Sorge für das Kind

Hat das Amtsgericht – Familiengericht – Frankfurt am Main durch den Richter Löser am 05. Mai 2023 beschlossen:

1. Dem Kindesvater wird das Sorgerecht für das betroffene Kind allein übertragen.
2. Die Anträge der Kindesmutter werden zurückgewiesen.
3. Die außergerichtlichen Kosten des betroffenen Kindes tragen die Kindeseltern jeweils zur Hälfte, im Übrigen werden die Kosten gegeneinander aufgehoben.
4. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe der Entscheidung

:

I. Sachverhalt

Der Kindesvater und die Kindesmutter sind die nicht verheirateten, getrenntlebenden Eltern des minderjährigen Kindes. Die elterliche Sorge üben sie derzeit gemeinsam aus, das Kind lebt aktuell beim Kindesvater.
Zwischen den Kindeseltern herrschen seit ihrer Trennung diverse Streitigkeiten, die zum Großteil auch gerichtlich ausgetragen werden. So kam es unter anderem zu Strafanzeigen der Kindesmutter gegenüber dem Kindesvater, einem Gewaltschutzverfahren sowie diversen familiengerichtlichen Streitigkeiten. Zuletzt stritten die Kindeseltern insbesondere über die Wahl er weiterführenden Schule für das Kind und im hiesigen Verfahren über eine Zahnbehandlung.

Anträge der Eltern

Der Kindesvater beantragt,
1. ihm die Alleinentscheidungsbefugnis zur zahnmedizinischen Behandlung der Milch- und Folgezähne einschließlich Röntgenuntersuchung für das minderjährige Kind gem. § 1628 S. 1 BGB in den Jahren 2022 und 2023 zu übertragen;
2. ihm das Sorgerecht für das betroffene Kind allein zu übertragen.

Die Kindesmutter beantragt,
die Anträge des Kindesvaters zurückzuweisen
sowie
1. ihr die Alleinentscheidungsbefugnis zur zahnmedizinischen Behandlung der Milch- und Folgezähne einschließlich Röntgenuntersuchung für das minderjährige Kind gem. § 1628 S. 1 BGB in den Jahren 2022 und 2023 zu übertragen;
2. ihr das Sorgerecht für das betroffene Kind allein zu übertragen.

Der Kindesvater beantragt,
die Anträge der Kindesmutter zurückzuweisen.

Verfahrensablauf

Das Gericht hat das hiesige Verfahren auf Antrag des Kindesvaters eröffnet, nachdem der Kindesvater zunächst die Zustimmung zu einer Einzelmaßnahme (Zahnbehandlung) beantragt hatte. Im Rahmen des Termins vom 12. Januar 2023 haben sodann beide Kindesaltern die oben aufgeführten Anträge gestellt. Das Jugendamt wiederum hat angeregt, dass das Verfahren nunmehr auch gem. § 1666 BGB wegen einer dort angenommenen Kindeswohlgefährdung geführt werden solle.
Das Gericht hat in dem Eilverfahren zu dem Az. Dem Kindesvater einstweilen die Entscheidung zur Wahl der weiterführenden Schule des Kindes übertragen. Zudem hat das Gericht unter dem Az. ein Umgangsverfahren geführt, beide Akten waren beigezogen.
Das Gericht hat die Beteiligten am 12. Januar 2023 und das betroffene Kind am 10. Januar 2023 angehört. Es wird insoweit auf die entsprechenden Aktenteile verwiesen.
Das Gericht hat zudem die Verfahrensbeiständin für das betroffene Kind als Verfahrensbeiständin bestellt, die am Termin zur Erörterung vom 10. Januar 2023 teilgenommen und zuvor mit dem betroffenen Kind und den Kindeseltern Gespräche geführt hat.

II. Rechtliche Würdigung

1. Dem Antrag des Kindesvaters auf Übertragung der alleinigen Sorge war stattzugeben.

Voraussetzungen der Übertragung des alleinigen Sorgerechts

a) Eine Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil kommt unter den Voraussetzungen des § 1671 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 BGB in Betracht. Demnach ist erforderlich, dass die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben und ihnen die elterliche Sorge (oder die beantragten Teilbereiche) gemeinsam zusteht sowie, dass zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dabei hat das Gericht im Rahmen der Beantwortung dieser Frage gem. § 1697a Abs. 1 BGB immer maßgeblich anhand des Kindeswohls zu entscheiden.

Prüfungen der Voraussetzungen

b) Die Voraussetzungen liegen hier bzgl. Der Ausübung des Sorgerechts allein durch den Kindesvater vor.

Getrennte Eltern

aa) Die Kindeseltern leben bereits seit Jahren dauerhaft getrennt voneinander.

Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts

bb) Der Kindesvater hat die Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragt.

Aufhebung der gemeinsamen Sorge entspricht dem Kindeswohl am besten

cc) Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge entspricht dem Wohl des Kindes am besten.
Die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge entspricht dem Kindeswohl nur dann am besten, wenn die Kindeseltern in der Lage sind, die Erziehung des Kindes weiterhin gemeinsam wahrzunehmen und im Interesse des Kindes miteinander kommunizieren können (MüKoBGB/Hennemann, 8. Aufl. 2020, BGB § 1671 Rn. 96 m.w.N.). Fehlt eine solche Konsensfähigkeit zwischen den Eltern, kann eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht entsprechen (PraxKomm Kindschaftsrecht/Keuter, 2. Aufl. 2020, § 1671 BGB, Rn. 12 m.w.N.). Für die Notwendigkeit der Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist demnach erforderlich, dass folgende Voraussetzungen vorliegen (PraxKomm Kindschaftsrecht/Keuter a.a.O.):
• Eine schwerwiegende, nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation
• Die Unmöglichkeit einer gemeinsamen Entscheidungsfindung sowie
• Eine erhebliche Belastung für den betroffenen Jugendlichen im Falle der gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Schwerwiegende Kommunikationsstörung der Eltern

(a) Eine schwerwiegende nachhaltige Störung der Kommunikation zwischen den Eltern ist gegeben. Diese Überzeugung des Gerichts ergibt sich insbesondere aus der persönlichen Anhörung der Kindeseltern und dem in diesem Zuge gewonnenen persönlichen Eindruck im Rahmen des Erörterungstermins vom 10. Januar 2023.
Im Rahmen der Verhandlung konnten die Kindeseltern trotz mehrfacher Versuche schon bzgl. Der Bereiche Zahnbehandlung und Schulwahl keine Kompromisse erzielen. Dabei wurde im Rahmen der Verhandlung deutlich, dass schon auf einer grundlegenden Ebene keine Konsensfähigkeit der Kindeseltern besteht. Dies ergibt sich auch aus der Zusammenschau der „Vorgeschichte“, was die Zahnbehandlung angeht. So gab es Gespräche zwischen den Kindeseltern zur Einholung einer Zweitmeinung und zur Frage eines Aufklärungsgesprächs für die Kindesmutter bei den behandelnden Ärzten. Allerdings gehen die entsprechenden Darstellungen der Kindeseltern insoweit diametral auseinander, beide weisen einander die Schuld zu, dass es am Ende nicht zu den entsprechenden Maßnahmen kam. Dabei ist unerheblich, wer hieran letztendlich Schuld hatte. Es zeigt jedenfalls deutlich, dass die Eltern keine gemeinsame Gesprächsbasis mehr haben, in deren Rahmen es möglich wäre, das Kind betreffende Themen zu seinem Wohl zu besprechen.
Dies ergibt sich auch aus dem gesamten restlichen Akteninhalt sowie den beigezogenen Akten. Die Kindesmutter hat schwere Anschuldigungen gegen den Kindesvater erhoben, nämlich unter anderem behauptet, er habe ihr mit Vergewaltigung gedroht und Dinge aus ihrer Wohnung entwendet. Die entsprechenden Vorwürfe hat die Kindesmutter auch gerichtlich verfolgt bzw. zur Anzeige gebracht.
Vor diesem Hintergrund erscheint eine ungestörte Kommunikation zwischen den Eltern, bei der die Interessen des Kindes im Mittelpunkt stehen, kaum mehr möglich. Es liegt vielmehr eine nachhaltig, massiv gestörte Kommunikation zwischen den Kindeseltern vor.
Hiervon scheinen im Ergebnis auch die Kindeseltern auszugehen. Denn beide haben beantragt, dass die elterliche Sorge ihnen jeweils allein übertragen wird. Dies spricht dafür, dass die Kindeseltern jeweils selbst der Meinung sind, dass eine massive gestörte Kommunikationsgrundlage zwischen ihnen vorliegt (vgl. MüKoBGB/Hennemann, 8. Aufl. 2020, § 1671 BGB, Rn. 104).

Gemeinsame Entscheidungsfindung unmöglich

(b) Auch eine gemeinsame Entscheidungsfindung der Kindeseltern scheint derzeit nicht möglich. Auch dies ergibt sich insbesondere aus der persönlichen Anhörung der Kindeseltern. Dies ergibt sich letztlich aus den obigen Ausführungen, auf die insoweit verwiesen wird.

Belastung des Kindes durch gemeinsames Sorgerecht

(c) Zuletzt ist es auch so, dass das Kind von einer weiteren gemeinsamen Ausübung des Sorgerechts durch die Kindeseltern erheblich belastet würde. Das Kind ist aufgrund der Gesamtsituation belastet, was zwischen den Kindeseltern außer Streit steht und letztlich evident sein dürfte. Das Kind bekommt die vielen Streitigkeiten der Kindeseltern mit. Es steht auch eindeutig in einem Loyalitätskonflikt. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus ihrer persönlichen Anhörung, bei der es sichtlich erleichtert war, dass es nicht entscheiden muss, wer das Sorgerecht ausübt und wer die Schulwahl trifft, sondern dass das Gericht dafür zuständig ist. Im Übrigen gehen alle anderen Verfahrensbeteiligten, mithin die Kindeseltern, das Jugendamt und die Verfahrensbeiständin, von einer massiven Belastung des Kindes aus.

Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Kindesvater entspricht dem Kindeswohl am Besten

dd) Die Übertragung des Sorgerechts auf den Kindesvater entspricht dem Kindeswohl am besten.
Der Kindesvater gewährleistet eine Kontinuität in der Ausübung des Sorgerechts, da das Kind bereits seit geraumer Zeit beim Kindesvater lebt und dieser somit auch die Alltagssorge für sie ausübt.

Entgegen JA sieht Gericht keine Zweifel an Erziehungsfähigkeit Vater

Entgegen Jugendamt und Kindesmutter hat das Gericht nach dem ihm bekannten Sachverhalt auch keine Zweifel an der Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters. Zwar macht die Kindesmutter immer wieder geltend, der Kindesvater kümmere sich nicht ausreichend um das Kind. Selbst wenn man dies aber annehmen wolle, so begründen die geltend gemachten, behaupteten „Mängel“ in der Erziehung des Kindesvaters keine ernsthaften Zweifel an dessen Erziehungsfähigkeit. So ergeben sich etwa aus der zuletzt vorgetragenen Tatsache, der Kindesvater übergebe das Kind teilweise mit ungepflegten Fingernägeln, keine entsprechenden Zweifel.

Ausübung Sorgerecht durch Kindesmutter nicht am Kindeswohl orientiert

Eine Ausübung des Sorgerechts durch die Kindesmutter dagegen entspräche dem Wohl des Kindes nicht am besten. Für das Gericht ist der Eindruck entstanden, dass die Kindesmutter ihre eigenen Interessen nicht immer von denen des Kindes trennen kann, was einer optimalen Sorgerechtsausübung zuwiderliefe.

Anhörung zur Schulwahl

Dies wurde unter anderem aus der persönlichen Anhörung zur Frage der Schulwahl deutlich. Das Kind hat sich diesbezüglich nicht positioniert, sondern war froh, die entsprechende Entscheidung nicht treffen zu müssen. Die Kindesmutter, die selbst als Lehrerin arbeitet, hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung bekundet, dass das Kind auf keinen Fall auf eine Privatschule gehen wolle, da es solche ablehne. Dies begründet die Kindesmutter unter anderem damit, dass das Kind wisse, dass die Lehrer an einer Privatschule anders bezahlt werden, dass ein größeres Ausgenmerk auf die Schüler und auch die Lehrer gelegt werden. Das Gericht geht davon aus, dass es sich hierbei nicht um die Ansichten des Kindes, sondern vielmehr diejenige der Kindesmutter handelt. Es wäre mehr als ungewöhnlich, wenn ein Kind im Alter von 9 Jahren eine Schulform aufgrund der Bezahlung der Lehrkräfte und der Tatsache, dass vermeintlich eine größere Überwachung dieser stattfindet, ablehnt. Es ist daher anzunehmen, dass die Kindesmutter nicht immer in der Lage ist, ihre eigenen Interessen von denen des Kindes zu trennen und so bestmögliche Entscheidungen für diese zu treffen.

Gewalt der Mutter gegen das Kind

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Kindesmutter in der Vergangenheit gegenüber dem Kind gewalttätig war. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass sich die Kindesmutter hiervon distanziert hat. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass die Kindesmutter ihre Gewalt gegenüber dem Kind weiterhin relativiert, sodass zu befürchten ist, dass es in Stresssituationen zu weiterer Gewalt der Kindesmutter kommen könnte. So hat die Verfahrensbeiständin aus dem Gespräch mit der Kindesmutter berichtet, sie habe erzählt, dass man in der Schule, an der sie arbeitet, darüber lachen würde, dass aufgrund eines Schlags auf den Hinterkopf des Kindes ein Verfahren eröffnet worden sei. Dort würden Kinder „bis zum Knochenkotzen“ geschlagen. Darauf angesprochen erklärte die Kindesmutter zwar, sie sei auf den „Klaps auf den Hinterkopf“ nicht stolz, aber ihre Schule sei nun einmal eine Brennpunktschule. Im Übrigen machte sie deutlich, dass sie der Verfahrensbeiständin anders gegenübergetreten wäre, wenn sie gewusst hätte, dass es ein Gesprächsprotokoll gibt, sodass nicht von einer ehrlichen Eigendarstellung durch die Kindesmutter auszugehen ist.

sonstige Anträge im Verfahren

2. Der Antrag des Kindesvaters auf Übertragung der Einzelentscheidung bzgl. Der Zahnbehandlung hat sich erledigt, nachdem dem Kindesvater nunmehr das Sorgerecht insgesamt allein übertragen worden ist.
3. Die Anträge der Kindesmutter waren zurückzuweisen. Dies ergibt sich letztlich aus den obigen Ausführungen, auf die Insoweit verwiesen wird.

keine Notwendigkeit von Kinderschutzmaßnahmen

4. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit von Amts wegen zu treffender abweichender familiengerichtlicher Maßnahmen i.S.d. § 1671 Abs. 4 i.V.m. § 1666 Abs. 1 BGB sind nicht ersichtlich. Insbesondere besteht – jedenfalls nach der Übertragung des Sorgerechts auf den Kindesvater allein – derzeit kein Grund, eine Kindeswohlgefährdung zu besorgen.
Dabei ist dem Jugendamt zuzugeben, dass eine hochkonflikthafte Elternsituation zu einer Kindeswohlgefährdung führen kann, der ggf. durch öffentliche Hilfen oder Sorgerechtseingriffe zu begegnen ist. Allerdings ist diesem Aspekt aus Sicht des Gerichts durch die Übertragung des Sorgerechts auf den Kindesvater hinreichend Rechnung getragen. Das Gericht geht davon aus, dass das zu einer Entspannung der Gesamtsituation führen wird und eine Kindeswohlgefährdung daher bereits vor diesem Hintergrund jedenfalls aktuell abgewendet ist.

Kostenentscheidung

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG.
6. Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

Löser
Richter

Beschluss Oberlandesgericht: alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht des Vaters, sonst gemeinsames Sorgerecht

Auf die Beschwerde der Kindesmutter führte das Oberlandesgericht eine mündliche Verhandlung durch und prüfte sehr umfassend die rechtlichen Fragen des alleinigen Sorgerechts und gemeinsamen Sorgerechts.
Das Oberlandesgericht Frankfurt stellt dabei unteranderem noch einmal klar, dass eine Auflösung der gemeinsamen Sorge nur in Betracht kommt, wenn das gemeinsame Sorgerecht durch die Eltern mit dem Kindeswohl unvereinbar wäre. Es macht außerdem umfassende und gut verständliche Ausführungen zur Verteilung der Verantwortlichkeiten bei gemeinsamer Sorge zwischen den Eltern.

Beschlussformel des OLG

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS

In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für
die Kinder (Kind 1) und (Kind 2)

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Lies-Benachib, die Richterin am Oberlandesgericht Schmieling und die Richterin am Oberlandesgericht Buda-Roß
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts
– Familiengericht – Fulda vom 2.9.2022 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Dem Antragsteller und Kindesvater wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder allein übertragen. Im Übrigen üben der Kindesvater und die Antragsgegnerin und Kindesmutter die elterliche Sorge für die Kinder gemeinsam aus. Der weitergehende Sorgerechtsantrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten beider Instanzen tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin je die Hälfte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Verfahrenswert beträgt für beide Instanzen jeweils 4.000 €.

Sachverhalt

Beziehungsgeschichte und Trennung

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin (im Folgenden Vater und Mutter) führten ab 2014 eine nichteheliche Beziehung, aus der die beiden gemeinsamen Töchter im Alter von 6 und 4 Jahren hervorgegangen sind. Eine gemeinsame Sorgeerklärung für die Kinder wurde nicht abgegeben.
Die Eltern lebten zunächst eine Zeitlang im Haus der Großeltern der Mädchen väterlicherseits in dem sie sich eine Wohnung umgebaut hatten. Sie sind dann mit den Kindern und dem aus anderer Beziehung der Kindesmutter hervorgegangenen, aktuell 11-jährigen Sohn umgezogen. Die Trennung der Eltern erfolgte im Oktober 2019, die Mutter verließ mit dem Sohn und den Mädchen die gemeinsame Wohnung und zog sodann mit den Kindern im Frühjahr 2020 erneut um. Der Vater zog in sein Elternhaus zurück. Er arbeitet als Projektleiter seit 10 Jahren in einer Firma in Fulda und ist dort ganztags berufstätig, hat jedoch aufgrund der Corona-Pandemie in den letzten zwei Jahren häufig im Homeoffice gearbeitet.
Die Mutter hat zwei weitere Kinder, eine im Jahr 2012 geborene Tochter, die bei ihrem Vater in Fulda lebt und zu der die Mutter seit Jahren keinen Kontakt hat, sowie einen im April dieses Jahres geborenen Sohn, der im Haushalt der Mutter und ihres jetzigen Lebensgefährten und Verlobten lebt. Die Mutter ist nicht berufstätig.

Antrag auf gemeinsames Sorgerecht des Vaters

Bereits im Mai 2020 hatte der Vater einen Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge für die Töchter gestellt. Im gerichtlichen Verfahren vereinbarten die Eltern zunächst eine Elternberatung beim Jugendamt mit dem Ziel, das gemeinsame Sorgerecht einzurichten. Mit Vereinbarung vom 11.8.2020 regelten die Eltern überdies den Umgang des Vaters mit den Kindern an jedem Dienstag sowie am ersten, zweiten und vierten Wochenende im Monat und während der Hälfte der Kindergartenferien. Die Umgänge haben nach Angaben beider Eltern gut funktioniert, der Vater hat mit Einverständnis der Mutter an den Dienstagen die für die Kinder anstehende Arzttermine wahrgenommen. Allerdings ist es bei den Übergaben teilweise zu Streitigkeiten der Eltern gekommen, wobei diese die Ursache hierfür jeweils beim anderen Elternteil sehen. Die vereinbarte Elternberatung mit dem Ziel der Errichtung der gemeinsamen Sorge fand statt, zum Termin zur entsprechenden Beurkundung beim Jugendamt erschien die Kindesmutter jedoch nicht.
In dem der Beschwerde zugrundeliegenden Verfahren beantragte der Kindesvater beim Amtsgericht am 5.8.2021 zunächst die Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge für die Kinder, nachdem die Mutter bereits mitgeteilt hatte, den Beurkundungstermin zur Begründung der gemeinsamen Sorge beim Jugendamt nicht wahrnehmen zu können. Zudem hatte der Vater vom Vermieter der Mutter einen Anruf erhalten, in dem der Vermieter mitteilte, die Mutter randaliere im Haus, weil er das Mietverhältnis gekündigt habe, der Vater solle die Kinder abholen.

Mutter will mit Kindern umziehen

Nachdem die Mutter im Rahmen eines SMS-Wechsels mit dem Vater über den Umgang mitgeteilt hatte, dass sie beabsichtige, mit den Kindern nach Langensalza zu ihrem neuen Partner zu ziehen, leitete der Vater ein einstweiliges Anordnungsverfahren ein mit dem Ziel, vorläufig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Mädchen zu erhalten. In diesem Verfahren vereinbarten die Eltern, dass die Mutter bis zum Abschluss der Hauptsache am bisherigen Wohnsitz bleibt.

Antrag auf alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht des Vaters

In der dem hiesigen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Hauptsache beantragte der Vater sodann, ihm das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Mädchen und im Übrigen beiden Elternteilen die gemeinsame elterliche Sorge zu übertragen. Er vertrat die Auffassung, dass er den Kindern ein stabileres häusliches Umfeld bieten und sie besser fördern könne.
Die Mutter trat dem Antrag entgegen und trug vor, dass der Vater sie im Frühsommer 2021 bedroht und gegenüber dem Jugendamt bewusst wahrheitswidrige Gefährdungsmeldungen abgegeben habe.

familiengerichtliches Gutachten

Das Amtsgericht beauftragte im Verfahren den Sachverständigen Dr. P. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Dieser sprach in seinem schriftlichen Gutachten vom 23.2.2022 sowie in seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 17.5.2022 die Empfehlung aus, dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Antragstellung sowie für schulische Entscheidungen zu übertragen. Er führte aus, dass aufgrund der strittigen Haltung der Kindeseltern zueinander und deren Unfähigkeit, sich in den genannten Bereichen zu einigen, die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts nicht in Betracht komme. Der Sachverständige sah beim Kindesvater eine etwas höhere Bindungstoleranz sowie eine bessere Förderungsfähigkeit und stellte fest, dass die Kinder auch zum Vater eine enge und sichere Bindung haben und aufgrund des umfassend ausgeübten Umgangsrechts des Vaters mit den Kindern in den vergangenen Jahren ein Obhutswechsel zu verantworten sei. Da eine gute Bindung der Kinder auch zu den Großeltern väterlicherseits gegeben sei, spreche nichts gegen eine Betreuungsunterstützung durch die Großmutter. Eine der Töchter hatte sich gegenüber dem Gutachter auch klar dahingehend geäußert, dass sie beim Vater wohnen möchte, sie hatte nach Angaben des Sachverständigen im Haushalt des Vaters aufgeschlossener und unbelasteter gewirkt. Eine Geschwistertrennung empfahl der Sachverständige im Hinblick auf die enge Bindung der Mädchen zueinander nicht. In die Gesamtbewertung bezog er auch ein, dass die Kindesmutter für den Sohn Unterstützung zur Strukturierung und Förderung durch eine – erfolgreich verlaufende – sozialpädagogische Familienhilfe in Anspruch genommen hat. Zudem ist berücksichtigt worden, dass die Mutter nicht der wiederholten Empfehlung des Kindergartens und der Aufforderung des Vaters, eines der Kinder logopädisch behandeln zu lassen, nachgekommen ist, wobei sich die Mutter darauf berufen hatte, dass der Hausarzt mitgeteilt habe, man solle hiermit zunächst abwarten. Der Kindergarten hatte gegenüber dem Sachverständigen auch erwähnt, dass die Mädchen nicht immer regelmäßig in den Kindergarten kommen, wobei dies teilweise an der Coronapandemie und am eingeschränkten Busverkehr liegen könne.

Antrag auf alleiniges Sorgerecht des Vaters

Der Vater beantragte nach Eingang des schriftlichen Gutachtens am 7.3.2022, ihm die gesamte elterliche Sorge für die Mädchen allein zu übertragen. Die Mutter beantragte Antragszurückweisung.

Stellungnahme der Verfahrensbeiständin

Die Verfahrensbeiständin sprach sich dafür aus, dass die Kinder ihren Lebensmittelpunkt im Haushalt des Vaters haben sollen, da dieser über eine gute Förderkompetenz verfüge. Für eine gemeinsame Sorge bestehe eigentlich keine Basis, jedoch sollte den Kindern „so viel Mama wie möglich“ durch Erhaltung von Teilbereichen der Sorge und durch umfassenden Umgang bleiben.

Stellungnahme des Jugendamtes

Das Jugendamt wies darauf hin, dass sich die Mutter im Rahmen der erfolgreich verlaufenden sozialpädagogischen Familienhilfe für den Sohn sehr kooperativ zeige, es seien von außen auch nie Sorgen um das Wohl der Kinder an das Jugendamt herangetragen worden.

Kindesanhörung beim Amtsgericht

In ihrer richterlichen Anhörung beim Amtsgericht erklärte die ältere Tochter, dass sie beim Papa zuhause sei. Sie wolle es so, wie es immer war: beim Papa bleiben. Die jüngere Tochter erklärte, dass ihr Zuhause bei Mama sei. Sie wolle dortbleiben und den Papa oft sehen.

Entscheidung des Amtsgerichts

Mit Beschluss vom 2.9.2022, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge, das Recht zur Stellung von Anträgen sowie die Kindergarten- und Schulangelegenheiten für beide Töchter übertragen und im Übrigen den Antrag des Kindesvaters zurückgewiesen. Das Amtsgericht hat sich dabei im Wesentlichen auf die Sachverständigenfeststellungen, die es als nachvollziehbar und überzeugend angesehen hat, gestützt.

Umsetzung des amtsgerichtlichen Beschluss durch Vater

Der Vater hat die beiden Mädchen unmittelbar nach Erhalt des amtsgerichtlichen Beschlusses nach einem Umgang bei ihm nicht mehr an die Kindesmutter herausgegeben. Er hat das ältere Kind unverzüglich in der nahegelegenen Grundschule angemeldet und das jüngere Kind in den örtlichen Kindergarten. Zudem hat er der Mutter durch seine Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 7.9.2022 eine Umgangsvereinbarung vorgeschlagen, wonach die Kinder jeden Donnerstag sowie zweiwöchentlich von Donnerstag bis Montagmorgen das Wochenende sowie die Hälfte der (thüringischen) Ferien bei der Kindesmutter verbringen dürfen. Allerdings hat er im unmittelbaren Anschluss an den vollzogenen Obhutswechsel der Kindesmutter zunächst keinen Umgang, dann nur stundenweisen Umgang gewährt mit der Begründung, dass die Kinder sich erst bei ihm eingewöhnen müssten. Zudem hat er während der Thüringischen Schulferien (17.10.-29.10.) keinen hälftigen Ferienumgang gewährt, sondern lediglich den vorgeschlagenen Wochenend- und Tagesumgang.

Beschwerde der Mutter gegen das alleinige Sorgerecht des Vaters

Gegen den am 2.9.2022 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts wendet sich die Mutter mit ihrer am 30.9.2022 eingegangenen Beschwerde mit dem Ziel, dass die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert und die ursprüngliche sorgerechtliche Situation wiederhergestellt wird. Sie ist der Ansicht, dass das Amtsgericht das Gutachtenergebnis völlig unkritisch übernommen habe. Aus ihrer Sicht sprechen das Kontinuitätsprinzip und die engen Bindungen der Kinder zu ihr für einen gewöhnlichen Aufenthalt dieser in ihrem Haushalt. Sie habe beide Töchter seit der Geburt nahezu ausschließlich betreut und versorgt. Ihre gute Bindungstoleranz zeige sich daran, dass nach Trennung durch Gewährung umfassenden Umgangs die gute Beziehung der Kinder zum Vater aufrechterhalten werden konnte. Demgegenüber verhalte sich der Kindesvater bei den Umgangsübergaben keineswegs kooperativ, sondern werde laut, verspäte sich ständig und mache die Kindesmutter in Anwesenheit der Kinder schlecht. Zudem sei es nunmehr so gekommen, wie sie vermutet habe, dass nämlich die wesentliche Kinderbetreuungsleistung von der Großmutter väterlicherseits erbracht werde. Nur offizielle Kindergarten- und Schultermine nehme der Kindesvater selbst wahr. Insbesondere die jüngere Tochter vermisse die Mutter sehr, die ältere Tochter werde vom Vater besser behandelt als diese, wie sogar die ältere selbst berichte. Notfalls sei nun auch über eine Geschwistertrennung nachzudenken.

Beschwerdeerwiderung Vater

Der Kindesvater verteidigt die amtsgerichtliche Entscheidung und hat Stellungnahmen der jetzigen Klassenlehrerin der älteren Tochter sowie des Kindergartens der jüngeren Tochter vorgelegt, die beide eine positive Einschätzung enthalten und feststellen, dass sich beide Kinder bereits gut eingelebt haben und integriert sind.
Die Verfahrensbeiständin hat im Beschwerdeverfahren nochmals eindringlich darauf hingewiesen, dass sichergestellt werden muss, dass die Mutter als frühere Hauptbezugsperson der Kinder für diese durch umfassenden Umgang und Teilhabe an der elterlichen Sorge erhalten bleibt. Deswegen sei auch für die nicht den Aufenthalt der Kinder betreffenden Teile der elterlichen Sorge eine gemeinsame Sorgeausübung wünschenswert.

Ablauf des Verfahrens vor dem OLG

Der Senat hat sämtliche Beteiligten einschließlich der Kinder sowie den Vertreter des Jugendamtes am 30.11.2022 persönlich angehört. Die Mutter hat sich dabei letztlich mit einem gewöhnlichen Aufenthalt der Mädchen im Haushalt des Vaters einverstanden erklären können, während der Vater sich nicht in der Lage sah, hinsichtlich der über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinausgehenden Sorgerechtsbereiche einer gemeinsamen elterlichen Sorge zuzustimmen. Über den Umgang der Mutter mit Sylvie und Rosalie wurde ein umfassender Vergleich geschlossen. Wegen der weiteren Ergebnisse der gerichtlichen Anhörung wird auf das Terminsprotokoll vom 30.11.2022 Bezug genommen.

Rechtliche Würdigung

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere fristgerecht eingereichte Beschwerde der Mutter hat zwar hinsichtlich des auf den Vater übertragenen Aufenthaltsbestimmungsrechts keinen Erfolg. Sie führt aber dazu, dass in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung in allen übrigen Sorgerechtsbereichen den Eltern die gemeinsame Sorge für die Kinder zu übertragen ist.

Übertragung Aufenthaltsbestimmungsrecht auf Vater bleibt bestehen

1. Die Entscheidung des Amtsgerichts, dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Töchter zu übertragen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Auch der Senat geht davon aus, dass es im Sinne von § 1671 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB dem Wohl der Mädchen am besten entspricht, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt beim Vater haben und in dessen Obhut aufwachsen, soweit gewährleistet ist, dass die bestehenden engen Bindungen der Kinder zur Mutter sowie auch die Geschwisterbindung zu dem Sohn der Mutter aufrechterhalten werden.

Bessere Förderkompetenz des Vaters

Der Senat sieht ebenfalls eine etwas bessere Förderkompetenz auf Seiten des Vaters, der voraussichtlich eher in der Lage ist, den Kindern dauerhaft stabile Verhältnisse und klare Regeln und Strukturen zu bieten, von denen insbesondere die ältere Schwester, die im sprachlichen Bereich Förderbedarf aufweist und weniger selbstbewusst und unbeschwert auftritt als ihre jüngere Schwester, sicher wird profitieren können. Dass der Vater zeitweise bei der Betreuung der Mädchen auf die Unterstützung insbesondere der Großmutter väterlicherseits angewiesen sein wird, sieht auch der Senat im Hinblick auf die gute Beziehung zwischen den Kindern und den Großeltern nicht als problematisch an.

Keine höhere Bindungstoleranz Vater – abweichend von Gutachten

Der sachverständigen Feststellung der etwas besseren Bindungstoleranz des Vaters vermag sich der Senat allerdings nicht ohne weiteres anzuschließen: Es mag sein, dass die mehr emotional agierende Mutter sich gegenüber Dritten eher zu abwertenden Bemerkungen über den mehr rational handelnden Vater hinreißen lässt als dieser es umgekehrt tut. Jedoch hat die Mutter in der Vergangenheit durch Gewährung umfassenden Umgangs dazu beigetragen, dass die gute Bindung der Kinder zum Vater aufrechterhalten werden konnte und sie hat auch im Beschwerdeverfahren erhebliches Entgegenkommen gezeigt, als sie sich kindeswohlorientiert mit einem Verbleib der Kinder beim Vater einverstanden erklärte, um diesen einen erneuten Aufenthaltswechsel einschließlich Ummeldung in Schule und Kindergarten zu ersparen. Demgegenüber blieb der Vater im Senatstermin trotz nachdrücklicher Empfehlungen der Verfahrensbeiständin, des Vertreters des Jugendamtes und des Senats bei seiner Ablehnungshaltung hinsichtlich der Begründung der gemeinsamen Sorge in allen über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinausgehenden Sorgerechtsbereichen. Der Senat stützt seine Entscheidung hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts somit lediglich auf die beim Vater vorliegende etwas bessere Förderkompetenz und berücksichtigt zudem, dass – nachdem der Vater den Aufenthaltswechsel der Kinder (rechtlich zulässig) unmittelbar nach Erhalt des erstinstanzlichen Beschlusses vollzogen hatte – ein erneuter Aufenthaltswechsel dem Kindeswohl nicht entsprechen dürfte, worauf auch der Vertreter des Jugendamtes hingewiesen hatte.

Keine Geschwistertrennung

Hinsichtlich einer von der Mutter angedachten und von Seiten des Jugendamtes nicht völlig ausgeschlossenen Trennung der Schwestern schließt sich der Senat den Ausführungen des Sachverständigen und der Verfahrensbeiständin an: Aufgrund der (trotz bestehender kleiner Rivalitäten) sehr engen Bindung der Mädchen zueinander wäre eine Trennung der beiden Schwestern kindeswohlabträglich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die von der Mutter erwogene Geschwistertrennung von dem älteren Kind als Ausschluss aus dem mütterlichen Familienverband empfunden werden könnte.
Da sich letztlich im Termin vor dem Senat die Mutter bei Gewährung umfassenden Umgangs mit dem Aufenthalt der Kinder im Haushalt des Vaters einverstanden erklären konnte und eine abweichende Regelung aus Kindeswohlgründen nach § 1671 Abs. 4 BGB nicht erforderlich ist, sind weitere Ausführungen zum Aufenthaltsbestimmungsrecht entbehrlich.

Wiederherstellung gemeinsamen Sorgerechts im Übrrigen

2. In Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung sind die über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinausgehenden Sorgerechtsbereiche beiden Eltern gemeinsam zu übertragen, der Antrag des Vaters auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge ist insoweit zurückzuweisen. Die vom Amtsgericht getroffene Entscheidung würde nämlich zu dem wenig befriedigenden und dem Wohl der Kinder nicht zuträglichen Ergebnis eines vollständigen Auseinanderfallens von Sorgerechtsbereichen ohne Mitspracherecht des jeweils anderen Elternteils und ohne Informationsrecht des anderen Elternteils gegenüber Dritten führen. Beispielhaft sei hier genannt, dass dem Vater nach dem angefochtenen amtsgerichtlichen Beschluss der Sorgerechtsbereich „Antragsangelegenheiten“ allein zustehen soll, wobei mangels näherer Konkretisierung der Umfang dieses Sorgebereichs bereits nicht eindeutig bestimmt werden kann. Gleichzeitig sollte der Mutter aber weiterhin die elterliche Sorge unter anderem im Bereich der Vermögenssorge zustehen. Im Fall der Eröffnung eines Schülerkontos für ein Kind wäre somit fraglich, in wessen Verantwortungsbereich die Angelegenheit fällt und es könnte aufgrund fehlender Abstimmungspflicht der Eltern zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, weshalb die Mutter, die seit Geburt der Kinder deren Hauptbetreuungs- und –bezugsperson war, in für die Kinder wesentlichen Angelegenheiten in den Bereichen Gesundheitssorge sowie Kindergarten- und Schulangelegenheiten nicht mehr zwingend miteinbezogen werden und kein originäres Auskunftsrecht bei Ärzten oder Erziehern/ Lehrern mehr haben soll.
Es gilt im Einzelnen Folgendes:

Rechtliche Grundlagen

Entscheidungsgrundlage ist § 1626a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 BGB. Zwar richtet sich der Antrag des Vaters eigentlich nach § 1671 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB. Da die Mutter bislang aber nach § 1626a Abs. 3 BGB allein sorgeberechtigt gewesen ist, bedeutet die Übertragung der Sorge auf den Vater und der damit verbundene Verlust ihres Sorgerechts einen schwerwiegenden Eingriff in das Elternrecht der Mutter, durch den auch das Bedürfnis der Kinder nach Stabilität und Kontinuität berührt wird und der sich in der Regel auch auf die Mutter-Kind-Beziehung auswirkt. Zu berücksichtigen ist, dass einer Mutter mit der Geburt eines nichtehelichen Kindes die Sorge qua Gesetz zusteht, sie im Gegensatz zum Vater daher auch keine Möglichkeit hat, einen ihr günstig erscheinenden Zeitpunkt zur Übernahme der Sorge zu wählen. Der Mutter können daher die Sorge oder Teile hiervon vollständig nur entzogen werden, wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. Damit ist auch bei einem Antrag des Vaters auf Alleinsorge zunächst inzident zu prüfen, ob eine gemeinsame Sorge nach § 1626a Abs. 2 BGB und somit ein Verbleib der Mitsorge bei der Mutter in Betracht kommt, es gelten die gleichen Kriterien wie bei § 1626a Abs. 2 BGB (vgl. Hennemann, in: Münchener Kommentar, 8. Aufl. 2020, BGB § 1671 Rn. 152; Götz, in: Palandt BGB 81. Aufl. 2022 § 1671 Rn.49; Coester, in: Staudinger, 2020, BGB § 1671, Rn. 271; Schumann, in: BeckOGK, 1.9.2021, BGB § 1626a Rn. 100; OLG Celle, Beschluss vom 16. Januar 2014 – 10 UF 80/13 –, Rn. 12, juris). Dies entspricht auch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum gemeinsamen Sorgerecht (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 – 1 BvR 420/09 – BVerfGE 127, 132-165).

Voraussetzungen der Übertragung der gemeinsamen Sorge

Nach § 1626a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 BGB überträgt das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Im vorliegenden Fall ist ein entsprechendes Antragsbegehren der Mutter als „Weniger“ dem Beschwerdeantrag zu entnehmen und ist nach entsprechender Erörterung im Termin vor dem Senat von der Mutter auch deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Die Vorschrift des § 1626a BGB ist Ausdruck des Kindeswohlprinzips, welches das Recht der elterlichen Sorge insgesamt beherrscht (vgl. § 1697a BGB). Das Gesetz beruht auf der Annahme, dass die gemeinsame elterliche Sorge grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu beiden Elternteilen entspricht. Es ist kindeswohldienlich, wenn ein Kind in dem Bewusstsein lebt, dass beide Eltern für es Verantwortung tragen, und wenn es seine Eltern in wichtigen Entscheidungen für sein Leben als gleichberechtigt erlebt. Diese Erfahrung ist aufgrund der Vorbildfunktion der Eltern wichtig und für das Kind und für seine Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit prägend. Zudem werden in Diskussionen regelmäßig mehr Argumente erwogen als bei Alleinentscheidungen. Daraus ergibt sich das gesetzliche Leitbild, dass grundsätzlich beide Eltern die gemeinsame elterliche Sorge für ein Kind tragen sollen, wenn keine Gründe vorliegen, die hiergegen sprechen. Eine den Antrag auf gemeinsame Sorge ablehnende Entscheidung kann nur dann ergehen, wenn die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam mit dem Kindeswohl unvereinbar wäre (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 – XII ZB 419/15 –, BGHZ 211, 22-37, Rn. 11).

Voraussetzungen der Ablehnung der gemeinsamen Sorge

Die gemeinsame elterliche Sorge ist danach nicht anzuordnen, wenn a) eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die b) befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und die c) das Kind bzw. die Kinder folglich erheblich belasten würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen. Maßgeblich ist, welche Auswirkungen die mangelnde Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes bzw. der Kinder haben wird (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 24; Keuter, in: Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl. 2020, § 1671 BGB Rn. 12).

Mindestmaß an Übereinstimmung gegeben

Das Amtsgericht ist den Ausführungen des Sachverständigen gefolgt und hat angenommen, dass ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern nicht besteht. Daran hat der Senat Zweifel. Das Vorliegen eines Elternkonflikts oder die Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge (erst durch die Mutter, zuletzt durch den Vater) sprechen noch nicht dafür, dass objektiv keinerlei Kooperationsfähigkeit und subjektiv keinerlei Kooperationsbereitschaft besteht. Der Umstand, dass die Eltern in Einzelfragen verschiedener Meinung sind und ihre Meinungsverschiedenheiten im Einzelfall streitig ausgetragen haben, genügt jedenfalls nicht, um die gemeinsame elterliche Sorge abzulehnen. Es gehört zur Normalität im Eltern-Kind-Verhältnis, dass sich in Einzelfragen die für das Kind beste Lösung gegebenenfalls erst aus Kontroversen herausbildet. Immerhin haben die Umgänge der Kinder mit dem Vater in der Vergangenheit gut funktioniert und hat der Vater im Einverständnis mit der Mutter an den Umgangsdienstagen regelmäßig Arzttermine mit den Kindern wahrgenommen. Auch war er in die Kindergartenangelegenheiten involviert und von der Mutter ermächtigt, dort Informationen einzuholen.

Ausführungen des Kindesvaters zur gemeinsame Sorge

Der Vater hat bereits kurze Zeit nach Trennung der Eltern den Wunsch nach gemeinsamer elterlicher Sorge geäußert und diese auch beim Amtsgericht beantragt. Noch im Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 10.09.2021 hat er die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts begehrt und dazu ausgeführt:
„Die Übertragung der elterlichen Sorge zur gemeinsamen Ausübung im Übrigen widerspricht dem Kindeswohl nicht. Im Gegenteil: Die Kinder profitieren bereits aktuell davon, dass auch der Kindesvater Verantwortung für notwendige Arztbesuche, den Kita-Besuch und für die Entwicklung der Kinder insgesamt übernimmt.“ ( ….) „Die elterliche Sorge ist im Übrigen den Kindeseltern zur gemeinsamen Ausübung zu übertragen. Das dafür notwendige Maß an Übereinstimmung in Erziehungsfragen ist vorliegend gegeben.“ (…) „Der Kindesvater ist gerne bereit, die Kommunikation mit der Kindesmutter auf Elternebene weiter zu verbessern und hierfür geeignete Beratungen oder Kurse wahrzunehmen.“
Den Antrag auf Übertragung der alleinigen Gesamtsorge hat der Vater erst gestellt, als das für ihn günstige Gutachten des Sachverständigen vorlag.

Senat sieht keine schwerwiegende Kommunikationsstörung

Der Senat ist daher bereits nicht davon überzeugt, dass eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation vorliegt, die eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht ermöglicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hier also nun der Kindesvater, die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in täglichen Angelegenheiten – das sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben – hat, § 1687 Abs. 1 S. 2, 3 BGB. Nur in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, muss bei gemeinsamer elterlicher Sorge Einvernehmen der Eltern hergestellt werden, § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB. Nicht zur Alltagssorge, in deren Rahmen der Obhutselternteil entscheiden kann, gehören regelmäßig Fragen der religiösen und weltanschaulichen Erziehung, die Festlegung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, der Umgang mit dem anderen Elternteil, gegebenenfalls die Entscheidung über die Tagesbetreuung des Kindes in Tageskrippe, Kindergarten, Hort und vergleichbaren Einrichtungen oder bei einer Tagesmutter, Schulwahl und Schulwechsel, Wahl der beruflichen Ausbildung und der konkreten Ausbildungsstelle, Grundentscheidungen der Gesundheitsversorgung, die keine Not- oder Eilfälle betreffen (für letztere gelten §§ 1687 Abs. 1 S. 5, 1629 Abs. 1 S. 4 BGB), Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 27 ff. SGB VIII, die unmittelbare Auswirkung auf das Kind haben, längerfristig sind oder mit einer Fremdplatzierung des Kindes verbunden sind, Status- und Namensfragen, und im Bereich der Vermögenssorge Anlage und Verwaltung des Kindesvermögens (vgl. die nicht abschließende Aufzählung von Salgo, in: Staudinger BGB Neubearbeitung 2019 § 1687 Rn. 35 ff.). Der hierunter fallende Hauptstreitpunkt des gewöhnlichen Aufenthalts der Kinder bewegt naturgemäß die Gemüter besonders und hat im vorliegenden Fall das Konfliktniveau zwischen den Eltern massiv erhöht. Nachdem dieser Punkt aber geregelt ist, die Kinder am Wohnsitz des Vaters in Schule und Kindergarten angemeldet sind, die älter Tochter sich in logopädischer Behandlung befindet und auch der Umgang durch Vereinbarung geregelt wurde, stellt sich die Frage, welche Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung in absehbarer Zukunft der einvernehmlichen Regelung bedürfen. Insoweit unterscheidet sich die heutige Situation erheblich von der Situation der Begutachtung, in der noch keine Klärung des zukünftigen Aufenthalts der Mädchen erfolgt war. Der Vater konnte auf Nachfrage im Termin vor dem Senat folglich keine Angelegenheiten nennen, die in absehbarer Zeit von den Eltern gemeinsam entschieden werden müssen. In Betracht kämen Fragen der Gesundheitssorge – hierüber bestand aber offenbar bereits in der Vergangenheit abgesehen von der Frage der logopädischen Behandlung keine Uneinigkeit – sowie die Entscheidung darüber, an welcher Grundschule die jüngere Tochter in 2 Jahren eingeschult wird, wobei aktuell nicht ersichtlich ist, warum sie an einer anderen Grundschule als der für ihren Wohnsitz zuständigen Grundschule angemeldet werden sollte. Soweit aber hier kein Einvernehmen erzielt werden könnte, ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz für einzelne kontrovers diskutierte und von den Eltern nicht lösbare Fragen mit § 1628 BGB ein geeignetes Instrumentarium vorsieht, ohne dass insgesamt in das Sorgerecht eingegriffen werden muss.

Erhalt der gemeinsamen Sorge wird als konfliktsenkend angesehen

Der Senat geht zudem davon aus, dass die größtmögliche Aufrechterhaltung der Teilhabe der Mutter am Leben der Kinder durch Begründung der gemeinsamen Sorge in Verbindung mit umfassendem Umgang durchaus auch geeignet ist, Konfliktpotenzial zu senken. Die gemeinsame elterliche Sorge führt nämlich dazu, dass jeder Elternteil Informationen unmittelbar bei Ärzten, Kindertagesstätte oder Schule einholen kann, ohne auf die Informationsweitergabe durch den anderen Elternteil (§ 1686 BGB) oder das Kind im Rahmen der Umgangsausübung angewiesen zu sein. Diskussionen über fehlende oder fehlerhafte Informationsweitergabe erübrigen sich damit.

Keine Prognose zu gemeinsamer Entscheidungsfindung möglich

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass – da bislang keine gemeinsame Sorge der Eltern bestand – in der Vergangenheit noch keine Notwendigkeit für gemeinsame sorgerechtliche Entscheidungen gegeben war. Die Eltern waren damit noch nicht gehalten, sich ernsthaft in Angelegenheiten, deren Regelung für die Kinder von erheblicher Bedeutung ist, auseinanderzusetzen. Eine Prognose, ob ihnen gegebenenfalls mit Unterstützung des Jugendamtes eine gemeinsame kindeswohldienliche Entscheidung möglich sein wird, kann zwar weder positiv noch negativ getroffen werden. Der Umstand, dass die Mutter nach dem ersten Sorgerechtsantrag des Vaters gemeinsame Beratungsgespräche beim Jugendamt wahrgenommen und dem Vater nach dessen Umgangsrechtsantrag umfassenden Umgang gewährt hat, spricht allerdings gegen eine zukünftige Verweigerungshaltung der Mutter. Zudem haben beide Elternteile Bereitschaft erklärt, bei Bedarf weiterhin Beratung durch das Jugendamt in Anspruch zu nehmen.

Keine Belastungen der Kinder durch gemeinsame Sorge

Es ist nach alldem derzeit nicht zu erwarten, dass die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts eine kindeswohlerhebliche Belastung für die Mädchen darstellen könnte. Vielmehr dient die gemeinsame Sorge der Erfüllung des von der Verfahrensbeiständin im Namen der Kinder dringlich geäußerten Wunsches, diesen „so viel Mutter wie möglich“ zu erhalten, indem die Mutter als frühere Hauptbezugs- und Betreuungsperson auch rechtlich mitentscheidungsbefugt bleibt.
Die Mutter hat sich im Termin vor dem Senat mit der Übertragung der gemeinsamen Sorge in den über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinausgehenden Bereichen, also auch in den Bereichen, die ihr nach der amtsgerichtlichen Entscheidung noch allein zugestanden hätten, einverstanden erklärt.

Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
Dr. Lies-Benachib Schmieling Buda-Roß

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