Inhaltsverzeichnis
- Von München nach Fehmarn und wieder zurück.
- I. Ausgangslage zum Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Vater
- II. Auf was es im Gerichtsverfahren ankommt
- III. Darum ging es im Fall
- 1. Schwierige Ausgangslage
- 2. Unser Vorgehen: Begleitung im Gutachten
- 3. Alarmierendes Zwischenergebnis: Psychische Belastung des Kindes
- 4. Unsere Chance: Verfahren zum Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Vater
- 5. Endlich wieder unbegleitete Umgänge
- 6. Empfehlung der Gutachterin: Wechsel zum Vater
- 7. Entscheidung des Amtsgerichts Oldenburg in Holstein
- 8. Beschwerde der Kindesmutter: Keine Aussicht auf Erfolg
- 9. Zurückweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts
- IV. Die Gerichtsbeschlüsse zum Nachlesen
Von München nach Fehmarn und wieder zurück.
Wie ein Vater sich das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für seinen Sohn gesichert hat.
Ein Blogbeitrag von Caroline Greb
Ein großes Thema in unserer täglichen Arbeit ist die Frage, ob ein Elternteil eigentlich mit dem Kind umziehen darf. Die Antwort lautet wie so oft: Es kommt darauf an.
In einem Fall unserer Rechtsanwältin Stefanie Kracke ist das Kind zunächst mit der Mutter von München nach Fehmarn umgezogen. Die Mutter wollte höchstens begleitete Umgänge des Vaters mit dem Kind zulassen. Das hat dazu geführt, dass der Vater sein Kind über ein Jahr nicht sehen konnte. Das hat der Vater nicht auf sich sitzen lassen und hat alles in Bewegung gesetzt, um den Kontakt zu seinem Sohn zu halten. Mit unserer Unterstützung konnten wir letztlich sogar erreichen, dass dem Vater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde und dass sein Sohn jetzt wieder bei ihm in München wohnen darf. In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, wie wir das geschafft haben.
I. Ausgangslage zum Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Vater
Wer darüber bestimmen darf, wo das Kind lebt, regelt das sogenannte Aufenthaltsbestimmungsrecht als Bestandteil des Sorgerechts.
1. Rechtslage bei alleinigem Sorgerecht
Wenn ein Elternteil allein sorgeberechtigt ist, dann darf es alleine entscheiden, wo das Kind wohnen soll. Dieses Elternteil darf dann mit dem Kind auch umziehen, ohne das andere Elternteil zu fragen.
2. Rechtslage bei gemeinsamem Sorgerecht
Wenn die Eltern gemeinsam sorgeberechtigt sind, müssen sie sich hingegen einig werden, wo der Lebensmittelpunkt des Kindes sein soll. Und dann braucht man für einen Umzug mit Kind grundsätzlich auch die Zustimmung des anderen Elternteils.
Wenn sich die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern nicht einigen können, ob das Kind mit umziehen darf, muss eine gerichtliche Entscheidung her. Das Gericht weist dann einem Elternteil das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu. Dieses Elternteil darf dann allein darüber entscheiden, wo das Kind lebt. Und es darf auch mit dem Kind umziehen.
II. Auf was es im Gerichtsverfahren ankommt
Wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt, dann prüft das Gericht, was für das Kind das Beste ist. Dabei kommt es auch bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht – wie immer in Sorgerechtsangelegenheiten – auf die sogenannten Kindeswohlkriterien an. Sprechen diese dafür, dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, dann wird ihm in diesem Bereich auch das Sorgerecht übertragen.
1. Kindeswohl im Fokus
Das Gericht prüft dann unter anderem, wer sich besser um das Kind kümmern kann (Stichwort: Erziehungsfähigkeit), zu wem das Kind eine engere Bindung hat und wer dem Kind möglichst stabile Lebensverhältnisse bieten kann (Stichwort: Kontinuität). Dabei wird auch geprüft, wer sich bisher hauptsächlich um das Kind gekümmert hat und ob dieser Elternteil auch den Kontakt zum anderen Elternteil gefördert hat (Stichwort: Bindungstoleranz). Und natürlich kommt auch das Kind zu Wort und darf dem Gericht erzählen, wie es zu dem Umzug steht. Je älter das Kind ist, desto mehr Bedeutung hat sein Willen für die Entscheidung des Gerichts.
Das Amtsgericht Oldenburg in Holstein hat das im Beschluss nochmal gut zusammengefasst:
Ist die Aufhebung der gemeinsamen Sorge, auch nur in Teilbereichen, geboten, so ist bei der Frage, welchem Elternteil dieser Teil der elterlichen Sorge zu übertragen ist, derjenigen Regelung der Vorzug zu geben, von der zu erwarten ist, dass sie im Sinne des Kindeswohls die bessere Lösung darstellt. Bei der prognostischen Beurteilung dieser Frage sind die folgenden Gesichtspunkte bedeutsam: Erziehungseignung, Förderkompetenz, Bindungstoleranz der Eltern, Bindungen des Kindes, Kontinuität und Kindeswille (BGH, FamRZ 1985, 169; OLG Brandenburg, Fam- RZ 2008, 1474).
2. Familienpsychologisches Gutachten
Weil das Gericht selbst häufig gar nicht die nötige Expertise hat, um die Familienverhältnisse zweifelsfrei einzuschätzen, wird in vielen Fällen ein familienpsychologisches Gutachten eingeholt. Hier ist es besonders wichtig, sich als Elternteil auf das Gutachten gut vorzubereiten. Denn die Gerichte orientieren sich in aller Regel an dem Ergebnis des Gutachtens. Das Wichtigste zum Gutachten haben wir für Sie daher hier bereits zusammengefasst.
III. Darum ging es im Fall
Nun aber zum konkreten Fall von Rechtsanwältin Kracke. Die Ausgangslage war schwierig:
1. Schwierige Ausgangslage
Ursprünglich hat die Familie zusammen in München gewohnt. Nach der Trennung im Jahr 2014 hat der Sohn bei der Mutter gelebt. Der Vater hatte alle zwei Wochen am Wochenende Umgang mit dem Kind. 2021 hat die Mutter dann auf einmal behauptet, dass der Vater eine Gefahr für den gemeinsamen Sohn sei. Sie ist daher mit dem Sohn nach Fehmarn geflüchtet und hat jeglichen Kontakt zum Vater verweigert. In der ersten Gerichtsverhandlung hat das Gericht der Mutter geglaubt und den Vater dazu gedrängt, dem Umzug des Kindes nach Fehmarn zuzustimmen. Außerdem durfte er nun erstmal nur noch begleiteten Umgang in Form von Telefonaten mit dem Kind haben. Um zu klären, was in der Familie eigentlich los ist und ob der Vater wirklich eine Gefahr für das Kind darstellt, hat das Gericht im Umgangsverfahren ein familienpsychologisches Gutachten in Auftrag gegeben.
2. Unser Vorgehen: Begleitung im Gutachten
Da kamen wir ins Spiel und der Vater hat sich bei uns beraten lassen. Uns war schnell klar: vom Vater geht keine Gefahr für den Sohn aus. Wenn dann gefährdet die Mutter das Kind mit ihrer Flucht vor dem Vater. Stichwort: Bindungsintoleranz.
Wir haben den Vater daher zunächst im Begutachtungsprozess begleitet und ihn beraten, wie er sich am besten verhalten kann, um ein für ihn positives Gutachten-Ergebnis zu bekommen. So konnten wir den Weg bereiten, für die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater.
3. Alarmierendes Zwischenergebnis: Psychische Belastung des Kindes
Doch die Gutachterin hat recht schnell selbst gemerkt, dass es dem Kind bei der Mutter nicht gut geht. Der Sohn zeigte bereits erste Verhaltensauffälligkeiten und ist zum Beispiel im Kindergarten schon auf andere Kinder losgegangen. Die vorläufige Diagnose der Gutachterin: sozial-emotionale Störung durch den Elternkonflikt.
Einen maßgeblichen Anteil an der Belastung des Kindes hat die Gutachterin bei der Mutter gesehen. Denn die hat durch ihre Flucht vor dem Vater dazu beigetragen, dass das Kind noch mehr unter dem Elternkonflikt leidet. Aus ihrer Sicht war es auch wichtig, dass der Vater den Sohn bald wieder sehen kann. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Vater das Kind bereits seit einem Jahr nicht mehr gesehen.
Die Gutachterin hat sich daher im April 2022 kurzfristig an das Gericht gewandt und ihr Zwischenergebnis mitgeteilt.
4. Unsere Chance: Verfahren zum Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Vater
Nun war es wichtig, das Ergebnis der Gutachterin ernst zu nehmen. Der Vater hat das auch getan und wollte das Kind bei einer Therapie anmelden, damit es ihm schnell besser geht. Die Mutter war dazu aber nicht bereit. Aus ihrer Sicht ging es dem Kind bei ihr gut.
Wir haben die Chance ergriffen und beantragt, dass dem Vater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die Gesundheitsfürsorge für den Sohn übertragen wird. Das Gericht hat daraufhin der Gutachterin den Auftrag gegeben, ihr Gutachten auch auf diese Aspekte zu erstrecken.
Im Fokus stand jetzt insbesondere auch die Erziehungsfähigkeit und Bindungstoleranz der Mutter. Also die Frage, ob sie in der Lage ist, sich gut um das Kind zu kümmern und die Kontakte zum Vater zu fördern, oder aber, ob das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater übertragen werden muss.
5. Endlich wieder unbegleitete Umgänge
Weil die Gutachterin ja auch empfohlen hatte, dass der Sohn seinen Vater schnell wieder sehen soll, haben wir auf einen Gerichtstermin im Umgangsverfahren gedrängt. Und siehe da: Der Kindesvater durfte seinen Sohn wieder alle zwei Wochen am Wochenende sehen.
Um das möglich zu machen, hat er alle Hebel in Bewegung gesetzt. Er ist alle zwei Wochen die weite Strecke nach Fehmarn gereist. Dort hat er teilweise sogar im Zelt übernachtet, um seinen Sohn sehen zu können. Das war echter Einsatz für das Kind!
6. Empfehlung der Gutachterin: Wechsel zum Vater
Und dieser Einsatz hat sich gelohnt: Im April 2023 lautete das Ergebnis der Gutachterin, dass der Sohn zum Vater wechseln soll. Die Gutachterin konnte feststellen, dass der Vater die Bedürfnisse des Kindes deutlich besser im Blick hat als die Mutter. Der Weg das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater zu übertragen, war frei.
a. Kindesmutter: Erhebliche Einschränkung der Erziehungsfähigkeit
Die Mutter ist laut der Gutachterin nicht in der Lage, die Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen. Sie ist so stark in ihrer Ablehnung gegenüber dem Vater verhaftet, dass sie ihrem Kind den persönlichen Kontakt zu ihm über ein Jahr lang verweigert hat. Eine Bindungsintoleranz, wie sie im Buche steht. Außerdem hat sie sich auch nicht um eine Therapie für den Sohn gekümmert. So konnte sich der psychische Zustand des Kindes seit Beginn der Begutachtung kein bisschen verbessern.
Das Gutachten kam daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass die Erziehungsfähigkeit der Mutter erheblich eingeschränkt ist.
Das Amtsgericht Oldenburg in Holstein hat das im Beschluss so zusammengefasst:
Die Sachverständige sieht bei der Antragsgegnerin und Kindesmutter erhebliche Einschränkungen im Bereich der Erziehungseignung und Förderkompetenz, aufgrund derer das Kind emotional unterversorgt worden sei. […] Konkret ergeben sich bei der Antragsgegnerin strukturelle Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der selbstreflexiven Fähigkeiten, der Konfliktfähigkeit, der Perspektivenübernahmefähigkeit bzw. der Empathie und der Beziehungsfähigkeit. In deren Konsequenz wehrt die Kindesmutter Fremdeinschätzungen und Hilfsangebote in Bezug auf das Kind, etwa seitens der Klassenlehrerin oder der früheren KiTa-Angestellten, ab.
Die Einschränkung ihrer Konfliktfähigkeit und der Fähigkeit zur Übernahme fremder Perspektiven ist auch im Umzug nach Fehmarn erkennbar, den die Antragsgegnerin einerseits als „Flucht“ vor dem narzisstischen Kindesvater, vor dem das Kind in ständiger Angst lebe, andererseits als Wunsch nach Landleben umschreibt. In jedem Falle brachte der Umzug für das Kind erhebliche Umstellungen mit sich, nicht zuletzt eine Erschwernis im Kontakt zum Vater, die sich nicht plausibel mit einer (von der Sachverständigen und in der Anhörung nicht bestätigten) Angst des Kindes vor dem Vater erklären lässt.
Aus den Interaktionsbeobachtungen zwischen dem Kind und der Antragsgegnerin, aber auch in der Schule, leitet die Sachverständige nachvollziehbar ab, dass das Kind keine Grenzen kennt, sich vielmehr regressiv-grenzüberschreitend verhält und offensiv soziale Verhaltensnormen missachtet. Eine Förderung des offensichtlich auffälligen Kindes durch eine Therapie findet seitens der Antragsgegnerin unter schlichtem Verweis auf die von dem Therapeuten verneinte medizinische Indikation nicht statt. Dessen Einschätzung steht dabei im völligen Gegensatz zu den Beobachtungen der Sachverständigen und auch den Wahrnehmungen des Gerichts in der Anhörung, sowohl des jetzigen Dezernenten als auch des Vorgängers, hinsichtlich der Besonderheiten im Gespräch mit dem Kind. Das Kind öffnet sich so gut wie nicht und versucht offenbar mit einem, von anderen oft als unangenehm empfundenen, langen Blickkontakt Fragen auszuweichen.
Konsequenz der Einschränkungen der Antragsgegnerin ist eine Mangelversorgung des Kindes in seinen Bedürfnissen nach weniger emotionaler Einsamkeit, nach psychischer Gesundheit durch adäquate Diagnostik und Therapie, nach altersgerechter Selbständigkeitsentwicklung, nach Kontakt zum Vater und nach sozialer Teilhabe durch Vermittlung sozialer Kompetenzen. Diese Mangelversorgung hat bei dem Kind bereits zu einer Störung des Sozialverhaltens vom frühbeginnend-persistierendem Typ geführt. Das Kind verfügt über nur geringe prosoziale Emotionen. In der Schule verhält er sich gegenüber den Mitschülern übergriffig. Angesichts der bei der Mutter bestehen mangelnden Problemeinsicht ist mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einem Heranreifen dieser Beeinträchtigungen zu persönlichkeitsimmanenten Mustern zu rechnen, bliebe das Kind bei ihr. […]
Eine Bindungstoleranz der Antragsgegnerin und Kindesmutter ist nach dem schriftlichen Gutachten nicht gegeben. […] Ausdruck der Bindungsintoleranz der Kindesmutter sind zur Überzeugung des Gerichts auch die von der Verfahrensbeiständin mitgeteilten Äußerungen des Kindes über den Vater, nämlich dieser habe „negative Energien“ und nehme Drogen sowie letztlich die Herausnahme des Kindes aus seinem bisherigen Umfeld durch den Wegzug nach Fehmarn.
b. Kindesvater: deutlich besser geeignet
Der Vater ist laut der Gutachterin trotz kleinerer Einschränkungen deutlich besser geeignet, sich um seinen Sohn zu kümmern. Unter anderem auch deshalb, weil er seinem Sohn vermitteln konnte, dass er dranbleibt und er trotz der weiten Entfernung und der Verweigerungshaltung der Mutter regelmäßige Kontakte ermöglicht. Und auch nach dem Wechsel des Sohns zu ihm Kontakte zur Mutter zulassen wird. Daher sollte der Vater auch das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht ausüben.
Das Amtsgericht hat das im Beschluss so zusammenfasst:
Demgegenüber sieht die Sachverständige nachvollziehbar nur leichte Einschränkungen auf Seiten des Kindesvaters, die sich auf eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur zurückführen lassen. Nach den Ausführungen der Sachverständigen ist der Kindesvater, im Gegensatz zu der Antragsgegnerin und Kindesmutter, indes in der Lage, die nur geringen Beeinträchtigungen zu kompensieren und sich an sein jeweiliges Gegenüber, hier insbesondere das Kind, anzupassen. […]
Die von [der Kindesmutter] gemachten Angaben, das Kind habe Angst vor seinem Vater und leide unter diesem konnte die Sachverständige nicht verifizieren. Im Gegenteil war in der Interaktionsbeobachtung des Kindes mit seinem Vater eine liebevolle Nähebeziehung erkennbar. Dies hat sich auch in den positiven Reaktionen des Kindes in seiner Anhörung zur Frage des Urlaubs bei seinem Vater gezeigt. Das Gericht kann sich auch nicht des Eindrucks verwehren, dass die derzeitigen Umgänge zwischen Vater und Kind nur aufgrund des anhängigen Verfahrens seitens der Kindesmutter reibungslos stattfinden; im Vorfeld gab es lange Kontaktabbrüche.
Das Gericht folgt weiter der Einschätzung der Sachverständigen, dass das Kind eine sichere, starke Bindung zu seinem Vater hat. Das Kind hat in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass der Antragsteller sich nicht – was angesichts der Entfernung leicht wäre – dem Kind entzieht, sondern im Gegenteil die Mühen der zweiwöchentlichen Umgänge zwischen Fehmarn und München auf sich nimmt. Die Sachverständige berichtet von einer unbeschwerten, fröhlichen Interaktion zwischen dem Kind und seinem Vater. In der Anhörung war auffällig, dass das Kind nur selten Details von sich berichtet oder gar Emotionen zeigt. Ein solcher Moment war die Schilderung des Sommerurlaubs 2023 mit dem Vater.
7. Entscheidung des Amtsgerichts Oldenburg in Holstein
Das Amtsgericht Oldenburg in Holstein hat sich im Oktober 2023 der Einschätzung der Gutachterin angeschlossen:
Das Gericht folgt im Ergebnis den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen, die als Psychologin fachlich hinreichend qualifiziert ist und denen sich auch Jugendamt und Verfahrensbeiständin inhaltlich angeschlossen haben. Das Gericht erachtet die Darlegungen des Gutachtens als überzeugend, so dass es sie zur Grundlage seiner Entscheidung macht. Die Ausführungen sind nachvollziehbar und in sich schlüssig. Die Sachverständige geht ersichtlich im Wesentlichen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus. Das Gutachten entspricht den fachlichen Standards. Die Einschätzungen der Sachverständigen lassen sich unproblematisch mit den eigenen Wahrnehmungen des Gerichts von dem Kind in Einklang bringen.
Das Amtsgericht Oldenburg in Holstein hat daher die gemeinsame Sorge aufgehoben und die Gesundheitssorge sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater übertragen.
Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge in den genannten Teilbereichen entspricht dem Wohl des Kindes am besten, da sich die Eltern insbesondere über den zukünftigen Aufenthaltsort des Kindes und über gesundheitliche Angelegenheiten nicht einigen können. Streiten die Eltern – wie hier – nachhaltig über das Kind betreffende Angelegenheiten und ist aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft zu erwarten, dass sich die Konflikte fortsetzen und zum Nachteil des Kindes auswirken werden, führt dies regelmäßig zu Belastungen, die dem Kindeswohl abträglich sind. In einem solchen Falle, in dem die elterliche Sorge nicht „funktioniert“, entspricht es dem Wohl eines Kindes am besten, wenn nur einem Elternteil die elterliche Sorge übertragen wird (BGH, FamRZ 1999, 1646). […]
Vor diesem Hintergrund entspricht die Übertragung der in Rede stehenden Teilbereiche auf den Kindesvater des Kindes Wohl prognostisch am besten. […]
Das Gericht verkennt bei seiner Entscheidung nicht, dass das Kind bisher stets bei seiner Mutter, nicht aber bei dem Vater gelebt hat (wobei die kurze Zeit des familiären Zusammenlebens im ersten Lebensjahr des Kindes vernachlässigt werden kann), und der Antragsteller erhebliche Anpassungs- und Erziehungsleistungen wird erbringen müssen. Es bestehen auch keine Zweifel des Gerichts dahingehend, dass das Kind materiell bei der Antragsgegnerin hinreichend versorgt wird. Trotzdem sieht das Gericht nach dem Ergebnis der Begutachtung im Falle des Verbleibs des Kindes bei der Kindesmutter aber eine positive Veränderung, d.h. eine hinreichende Versorgung mit emotionaler Nähe und insbesondere auch eine therapeutische Anbindung des Kindes, nicht im gleichen Maße gewährleistet wie bei einem Wechsel zum Vater.
Mit der Aufenthaltsbestimmung ist auch die Gesundheitssorge im Kindeswohlsinne am besten auf den Antragsteller und Kindesvater zu übertragen. Dieser verweigert sich einer weiteren Therapie des bereits jetzt auffälligen und hilfsbedürftigen Kindes nicht.
Seit Oktober wohnt der Sohn beim Vater in München.
8. Beschwerde der Kindesmutter: Keine Aussicht auf Erfolg
Zwar hat die Mutter dagegen nochmal Beschwerde zum Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht eingelegt. Jedoch hat das Oberlandesgericht in einem Hinweisbeschluss sehr deutlich gemacht, dass die Beschwerde der Mutter keine Aussicht auf Erfolg haben wird. Es hat der Mutter geraten, die Beschwerde zurückzunehmen.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat nach vorläufiger Auffassung des Senats in der Sache keinen Erfolg. […]
Die Antragsgegnerin sollte die Rücknahme ihrer Beschwerde erwägen.
9. Zurückweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts
Weil die Kindesmutter trotz des eindeutigen Hinweises ihre Beschwerde nicht zurücknehmen wollte, kam es dann aber nochmal dick vom Oberlandesgericht. Auf 10 Seiten begründet das Oberlandesgericht, warum die Entscheidung des Amtsgerichts, dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, richtig ist und das Kind daher rechtmäßig zum Vater gewechselt ist.
Zu Recht und mit zutreffender, ausführlicher und abgewogener Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, hat das Amtsgericht – Familiengericht – Oldenburg in Holstein nach Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 BGB in den Teilbereichen Aufenthaltsbestimmung und gesundheitliche Angelegenheiten aufgehoben und auf den Antragsteller zur alleinigen Ausübung übertragen.
Die Beschwerdeangriffe der Antragsgegnerin rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht bleibt beim Vater.
Damit steht fest: der Sohn darf bei seinem Papa bleiben.
IV. Die Gerichtsbeschlüsse zum Nachlesen
Amtsgericht Oldenburg in Holstein, Teilbeschluss vom 04.10.2023, Az. 41 F 99/21
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Hinweisbeschluss vom 30.01.2024, Az. 15 UF 172/23
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 21.02.2024, Az.: 15 UF 172/23
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