Inhaltsverzeichnis
- Wie kommt man mit der Rechtsbeschwerde in Familiensachen zum Familiensenat des BGH?
- Was sind die rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde zum BGH?
- Das OLG hat die Beschwerde nicht zugelassen. Gibt es die Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH?
- Verfassungsbeschwerde bei Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde
Wie kommt man mit der Rechtsbeschwerde in Familiensachen zum Familiensenat des BGH?
Das Verfahren ist vor dem Oberlandesgericht (OLG) und es sieht nicht gut aus. Die Entscheidung des OLG ist Ihrer Meinung nach falsch, überzeugt Sie nicht und scheint im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH zu stehen. Diese Situation ist durchaus kein Einzelfall. Der Gang zum BGH ist aber alles andere als einfach. Denn das Familienverfahrensgesetz (FamFG) setzt der Rechtsbeschwerde in Familiensachen enge Grenzen. Normalerweise ist daher nach dem OLG Schluss bzw. nur der schwierige Weg zum BVerfG möglich.
Was sind die rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde zum BGH?
Die Rechtsbeschwerde zum BGH in Familiensachen ist nur und ausschließlich dann zulässig, wenn sie vom OLG im Beschluss zugelassen wurde (§ 70 Absatz 1 FamFG).
Wann aber lässt das OLG die Rechtsbeschwerde zum BGH zu?
1. Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Absatz 1 FamFG
Das OLG kann die Rechtsbeschwerde nach eigenem Ermessen zulassen. Der BGH ist daran gebunden. Dies ergibt sich aus dem § 70 Absatz 1 im Zusammenhang mit § 70 Absatz 2 Satz 2 FamFG. Damit KANN das OLG die Rechtsbeschwerde auch dann zulassen, wenn keiner der Gründe des § 70 Absatz 2 FamFG vorliegt. Das ist allerdings eher unwahrscheinlich.
2. Zwingende Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Absatz 2 FamFG
Zwingende Zulassung der Beschwerde (3. Instanz in Familienverfahren, BGH). Geregelt ist dies in § 70 Absatz 2 FamFG. Danach ist die Rechtsbeschwerde zum BGH (zwingend) zuzulassen, wenn die Sache entweder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 70 Absatz 2 Nr. 1 FamFG) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordern. Klingt fancy, es ist aber eine eher komplexe Argumentation nötig um die Wirkungen des § 70 Absatz 2 FamFG zu erreichen. Zu beachten ist dabei, dass die Entscheidung des OLG über die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht angreifbar oder überprüfbar ist. Die sog. „Nichtzulassungsbeschwerde“, welche es früher gab ist spätestens mit der FamFG Reform von 2009 ausgeschlossen. Bei einer negativen Entscheidung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zum BGH kann diese Entscheidung also nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH angegriffen werden.
Das bedeutet für den Anwalt, dass hier Überzeugungsarbeit erforderlich ist. Nur wenn die Richter am OLG selbst davon überzeugt sind, dass der Fall in der Tat erhebliche Bedeutung für die Fortbildung des Rechtes hat werden sie die Beschwerde zulassen. Die empörte direkte Attacke auf das Verhalten und die Ansichten des OLG werden hier wenig weiterhelfen. Zu beachten ist für die Mandanten dabei, dass es in der Revision beim BGH NUR um Rechtsfragen geht. Das bedeutet, dass die Argumentation für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht darauf gestützt werden kann, dass die Ansichten des OLG zu faktischen Fragen falsch sind.
Beispiel: In einem Umgangsverfahren verweigert die Mutter dem Vater den Umgang. Sie behauptet das 8 jährige Kind wolle den Umgang nicht. Die Gerichte haben tatsächlich festgestellt, dass der Kindeswille beeinflusst sei. Rechtlich haben die Gerichte aber gewertet, dass sie die Zwangsmittel des § 89 II FamFG gegen die Mutter nicht anwenden können, weil diese Zwangsmittel (Ordnungsgeld) indirekt auch Auswirkungen auf das Kind haben könnten. Die Begründung eines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde kann sich nun NICHT darauf stützen, dass die Mutter das Kind doch gar nicht beeinflusse. Das wäre eine tatsächliche Frage, welche vor dem BGH nicht geprüft wird. Der Antrag könnte sich aber darauf stützen, dass die rechtliche Frage angeführt wird, ob ein Gericht von den gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmitteln mit der Begründung abweichen kann, dass diese (wie zu erwarten ist) indirekt auch auf das Kind wirken könnten. Es muss also um abstrahierbare, generelle Fragen gehen, welche nicht nur in diesem speziellen Fall fraglich sind.
*a. § 70 Absatz 2 Nr. 1
Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 70 FamFG hat eine Sache, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage betrifft, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen denkbar ist (BT-Drs. 16/6308, Seite 209) und deshalb ein abstraktes (generelles) Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit und koherenten Handhabung des Rechtes besteht. in diesen Fällen ist die Rechtsbeschwerde zum BGH zuzulassen. Das bedeutet auf deutsch, dass es bei der Rechtsbeschwerde gem. § 70 FamFG nicht nur um Einzelfallfragen gehen darf. Es muss eine Lage gegeben sein, die immer wieder vorkommt, viele Betroffene hat und regelmäßig vor Gericht zu entscheiden ist. Es muss in der REchtsbeschwerde auch um eine Rechtsfrage gehen, die nicht bereits durch den BGH entschieden wurde. Wenn die Frage durch den BGH entschieden wurde, so kann die Rechtsbeschwerde nach § 70 FamFG nur zulässig sein, wenn entweder der Senat von dieser abweicht, oder es andere Entscheidungen gibt (der OLGs), welche 1. nach der BGH Entscheidung stattfanden und 2. von dieser abweichen.
Als Anwalt muss ein Antrag zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 FamFG gut vorbereitet sein. Eigentlich muss das Gericht zwar von Amts wegen über die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum BGH nach § 70 FamFG entscheiden. Deshalb braucht es streng genommen keinen Antrag zur Zulassung der Rechtsbeschwerde, es handelt sich rechtstechnisch noch nicht einmal um einen Antrag, sondern nur um eine Anregung. Aber das OLG wird nur dann gezwungen eine Begründung für die Entscheidung übe die Zulassung der Rechtsbeschwerde vorzunehmen, wenn es einen Antrag hat. Andernfalls kann es sozusagen „stillschweigend“ eine Rechtsbeschwerde zum BGH ausschließen. Dieser Antrag muss gut begründet sein. Denn hier kann man das Ziel nur mit Überzeugungsarbeit erreichen. Da die Entscheidung des OLG nicht überprüfbar ist, muss es dem Anwalt gelingen schwerwiegende rechtliche Fragen mit der Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 FamFG zu verknüpfen. Sachlichkeit, hervorragende Kenntnisse der speziellen Rechtsfragen und ein gut vorbereiteter, möglichst schon vor dem Termin verfasster Antrag auf die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind in den meisten Fällen zwingende Voraussetzung für Aussichtschancen.
b. § 70 Absatz 2 Nr. 2 FamFG
Die Rechtsbeschwerde zum BGH ist gem. § 70 Absatz 2 Nr. 2 FamFG außerdem zuzulassen, wenn dies für die Fortbildung des Rechtes nötig ist. Fortbildung des Rechtes bedeutet, dass Gesetzeslücken oder auslegungsbedürftige Rechtsnormen der Klärung im Wege der Rechtsbeschwerde bedürfen. Im Übrigen gilt das bereits gesagte.
Ebenfalls zuzulassen ist die Rechtsbeschwerde zum BGH nach § 70 Absatz 2 Nr. 2 FamFG, wenn dies zur Wahrung der einheitlichen Rechtsprechung notwendig ist. Bei der Frage der Einheitlichkeit der Rechtsprechung geht es bei der Zulassung der Rechtsbeschwerde zum BGH um die Frage, ob es zwischen verschiedenen OLGs erhebliche Unterschiede in der Rechtsprechung gibt. Ist das der Fall ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde eher gut zu erreichen. Allerdings braucht es entsprechende Entscheidungen, es muss um erhebliche Rechtsfragen gehen und die Entscheidungen müssen deutlich von einander Abweichen. Hier ist wieder eine sorgfältig aufbereitete Antragsstellung nötig.
Zuzulassen ist die Rechtsbeschwerde auch, wenn das OLG schwerwiegende Rechtsfehler begangen hat, welche erwarten lassen, dass unter Berufung auf diesen Beschluss weitere fehlerhafte Beschlüsse in anderen Fällen erfolgen. (BGH NJW-RR 2010, 934, Rn.: 13). Es dürfte allerdings etwas schwierig sein ein OLG davon zu überzeugen, das es schwerwiegende Rechtsfehler begangen hat. Da aber das OLG die Letztentscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde hat braucht es schon einen extrem überzeugenden Anwalt um mit dieser Argumentation zum BGH zu kommen.
Verfahren vor dem Familiensenat des BGH
Insgesamt ist es schwer eine Rechtsbeschwerde herbeizuführen.
Zu beachten ist dabei auch, dass mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde nur ein erster Schritt erreicht wurde. Es ist dann auch noch ein BGH- Anwalt zu finden (Anwälte am BGH brauchen eine spezielle Zulassung) und dieser muss eine entsprechende Beschwerde beim BGH einreichen. Das Verfahren ist aufwändig und braucht erheblichen Spezialwissen der Anwälte.
Das OLG hat die Beschwerde nicht zugelassen. Gibt es die Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH?
Eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH gibt es im Familienverfahren nicht. Sie wurde durch den Gesetzgeber ausdrücklich nicht vorgesehen (BT-Drs. 16/6308, S. 225). Damit bleibt gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kein Rechtsmittel.
Verfassungsbeschwerde bei Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde
Ist die Beschwerde nicht zugelassen, so bleibt innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung der Entscheidung des OLG die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde. Diese kann jeder Anwalt oder auch jeder Betroffene selbst einreichen. Allerdings sind die Aussichtschancen selbst bei einer von einem Anwalt verfassten Verfassungsbeschwerde gering und die Anforderungen an die Begründung extrem hoch.Statistisch gesehen sind die Chancen einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss eines OLGs verschwindend gering.
Im Zeitraum von 1991 bis 2011 wurden insgesamt 102.646 Gerichtsentscheidungen mit Verfassungsbeschwerden angegriffen, davon ca. 40.000 zivilgerichtliche.Von diesen 102.646 Entscheidungen wurden in denselben 20 Jahren genau 2.612 Entscheidungen aufgehoben. Davon betrafen allein 506 Asylverfahren. Damit verbleiben 2.106 aufgehobene Gerichtsentscheidungen, welche nicht Asylverfahren betrafen. In 20 Jahren. Nimmt man an, dass diese 2.106 erfolgreichen Verfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen allesamt Zivilrechtliche Fälle betrafen (definitiv nicht richtig), so hätten Verfassungsbeschwerden gegen zivilgerichtliche Entscheidungen eine durchschnittliche Erfolgsquote von ca. 0,05%. Anders ausgedrückt: Von insgesamt 5744 zur Entscheidung angenommenen Verfassungsbeschwerden im Jahre 2011 wurde genau 93, oder 1,62% stattgegeben.