Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 05.10.2016 entschieden, dass Kinder und ihre leiblichen Väter grundsätzlich das Recht haben, sich zu kennen und miteinander Kontakt zu halten. Gleichzeitigt stärkte der BGH das Recht der Kinder, auch gegen den Willen der rechtlichen Eltern über ihre wahre Abstammung unterrichtet zu werden.[1]
Nach der neuesten Rechtsprechung des BGH soll ein Umgangsrecht des biologischen Vater auch durchgesetzt werden können, wenn die rechtlichen Eltern den Kontakt des Kindes mit dem biologischen Vater verweigern. Auch hier gelte als Prüfmaßstab nicht der Wille der rechtlichen Eltern, sondern das Kindeswohl. So könne der Umgang des biologischen Vaters mit seinem Kind nur eingeschränkt werden, wenn dieser nicht dem Kindeswohl diene.
Der Sachverhalt, mit dem der BGH sich zu beschäftigen hatte, war der Folgende:
Der gebürtige Nigerianer hatte mit einer verheirateten Frau 2005 geborene Zwillinge gezeugt. Noch vor der Geburt der Kinder war die Frau jedoch zu ihrem Ehemann zurückgekehrt, sodass dieser automatisch bei Geburt der Kinder als deren rechtlicher Vater angenommen wurde. Seit der Geburt der Kinder forderte der biologische Vater den Umgang mit den Zwillingen. Das Ehepaar verweigerte dem biologischen Vater jeglichen Umgang mit seinen Kindern mit der Begründung, die Kinder wüssten nichts von der Existenz des leiblichen Vaters. Durch sein Auftauchen im Leben der Kinder würden diese verstört und das Familienleben erheblich beeinträchtigt.
Die Vorinstanzen hatten die Auffassung des Ehepaars bestätigt, sodass dem biologischen Vater kein Umgang gewährt wurde. Das Umgangsrecht des biologischen Vaters mit seinen Kindern bestünde nur, wenn zwischen dem Vater und den Kindern eine sozial-familiäre Beziehung vorliege. Der leibliche Vater war mit diesem Fall bereits bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gezogen. Dort sprachen die Richter dann aus, dass der Umgang des biologischen Vaters mit seinen Kindern nicht einfach ohne eine Prüfung des Kindeswohls versagt werden dürfe. Daraufhin änderte auch der deutsche Gesetzgeber das Umgangsrecht und schuf den § 1668a BGB.[2] Dieser legt fest, dass einem leiblichen Vater, der ernsthaftes Interesse an seinem Kind zeigt, ein Umgangsrecht zu gewähren ist, wenn dies dem Kindeswohl dient.
Auf dieser Grundlage hatte dann auch der Bundesgerichtshof zu entscheiden und hob die Entscheidungen der vorangegangenen Instanzen auf. Diese müssen nun neu entscheiden und müssen dabei das Urteil des BGH berücksichtigen, der die Auffassung vertritt, dass nicht allein die Weigerung der Eltern, den Kindern den Umgang mit dem biologischen Vater zu erlauben, kein Grund sei, den Umgang des Vaters generell abzulehnen. Eine Kindeswohlgefährdung könnte gar nicht festgestellt werden, denn die Kinder kennen ihre wahre Abstammung gar nicht. Einschränkend stellten die Richter jedoch fest, dass Kinder vor einer gerichtlichen Anhörung oder Begutachtung über ihre wahre Abstammung unterrichtet werden müssen. Gerichte müssten zudem streng prüfen, ob solche Behauptungen der rechtlichen Eltern, die Kinder würden durch eine Umgangsregelung mit dem biologischen Vater überfordert und deshalb sei auch das Kindeswohl beeinträchtigt, der Wahrheit entsprechen.[3]
Die Entscheidung des Bundesgerichtshof sorgt damit dafür, dass nicht nur das Recht des Kindes, das seinen biologischen Vater kennenlernen möchte, gestärkt wird, sondern auch der biologische Vater einen Umgang mit seinen Kindern durchsetzen kann. Gleichzeitig wird das Kindeswohl nicht aus dem Auge gelassen, sondern weitaus mehr berücksichtigt als es in derselben Konstellation vor der Schaffung des § 1686a BGB der Fall war.
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[1] BGH Beschluss vom 05.10.2016 – Aktenzeichen XII ZB 280/15
[2] (1) Solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht, hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, 1. ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient, und 2. ein Recht auf Auskunft von jedem Elternteil über die persönlichen Verhältnisse des Kindes, soweit er ein berechtigtes Interesse hat und dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. (2) Hinsichtlich des Rechts auf Umgang mit dem Kind nach Absatz 1 Nummer 1 gilt § 1684 Absatz 2 bis 4 entsprechend. Eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Absatz 3 Satz 3 bis 5 kann das Familiengericht nur anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Absatz 1 erfüllt sind.
[3] Quellen: http://www.mdr.de/nachrichten/ratgeber/bgh-urteil-leibliche-vaeter-haben-recht-auf-umgang-mit-kindern-100.html; https://www.juris.de/jportal/portal/t/30ux/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE304852016&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint;