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Umgangs- und Sorgerechts-Blog
Handlungsmöglichkeiten bei Umgangsverweigerung

Handlungsmöglichkeiten bei Umgangsverweigerung

Matthias Bergmann

Umgangsverweigerung – was tun?

Ausgangssituation für die hier besprochene Problematik von kompletter Umgangsverweigerung sind Fälle, bei denen ein gemeinsames Kind bei einem Elternteil lebt und der Umgang zu dem anderen Elternteil verweigert wird. Der komplette Abbruch des Kontaktes zum eigenen Kind, also keine Treffen, Übernachtungen oder gar Telefonate, ist für Kinder und betroffene Elternteile meist das Schlimmste. Jüngst lief in der ARD der Spielfilm „Weil du mir gehörst“  https://www.daserste.de/unterhaltung/film/filmmittwoch-im-ersten/sendung/weil-du-mir-gehoerst-100.html. Der Film behandelt sehr anschaulich diese Thematik anhand eines konkreten Falles. Umgangsverweigerungen kommen aber in allen erdenklichen Variationen vor, es gibt zum Beispiel ebenso betreuende Väter, die den Umgang des Kindes zur Mutter verweigern.

Gründe einer Umgangsverweigerung

Begründet wird die Umgangsverweigerungen häufig mit einer vermuteten Gefährdung des Kindes bei dem anderen Elternteil durch psychische oder körperliche Gewalt oder mit der kompletten Verweigerung des Kindes aus eigenem Willen.

Die Vorgeschichten zu einer kompletten Umgangsverweigerung sind vielfältig. Oft funktionieren regelmäßige Umgänge längere Zeit sehr gut, verringern sich dann jedoch mit der Zeit und brechen komplett ab. Eine Umgangsverweigerung kann sich auch bereits im Laufe der Trennung der Eltern mit heftigen Konflikten entwickeln. Oder die Eltern sind bereits vor der Geburt kein Paar mehr und dem Vater wird der erste Kontakt zu seinem Kind verweigert.

Die ZEIT ist dabei oft der wichtigste Faktor. Je länger es keinen Kontakt zwischen Kind und dem betroffenen Elternteil gibt, desto größer ist die Gefahr, dass sich eine Ablehnung des Kindes gegen diesen Elternteil verfestigt.

In den extremsten Fällen kann es daher vorkommen, dass später bei Gericht sogar ausdrücklich festgestellt wird, dass der betreuende Elternteil das Kind negativ beeinflusst und damit die Umgangsverweigerung des Kindes zu verantworten hat; gleichzeitig wird festgestellt, dass sich die Beeinflussung beim Kind bereits derart als eigener Wille manifestiert hat, dass angeordnete Umgänge oder der Aufenthaltswechsel zum anderen Elternteil eine Kindeswohlgefährdung darstellen. Ein solches Ergebnis ist mit dem eigenen Gerechtigkeitsempfinden nur sehr schwer zu vereinbaren, kann aber zum Schutz des Kindeswohls zu diesem späten Zeitpunkt notwendig sein.

Um solche Ergebnisse zu verhindern muss möglichst früh klar und deutlich eingegriffen werden.

Im Folgenden werden die einzelnen Handlungsmöglichkeiten beschrieben, um im besten Falle eine komplette Umgangsverweigerung bereits überhaupt nicht entstehen zu lassen:

1. Konkreter Einigungsversuch zwischen den Eltern bei Umgangsverweigerung

Wenn sich Umgänge verringern oder nicht zugelassen werden sollte man versuchen, sich zunächst mit dem anderen Elternteil zu einigen. Unbedingt zu vermeiden ist aber ein endloser Mailverkehr mit gegenseitigen Vorwürfen oder telefonische „Anschreiorgien“ mit dem Kind im Nebenzimmer. Beim Einigungsversuch sollte man stark den Faktor ZEIT im Auge behalten. Kommt man zu keiner Einigung, ist dem anderen Elternteil schriftlich (Mail oder WhatsApp) unter Fristsetzung (1 Woche reicht) ein konkreter Vorschlag für Umgänge zu machen, die man für sinnvoll erachtet. Wird dies nicht angenommen ist zügig zum nächsten Schritt überzugehen.

2. Umgangsverweigerung: Hilfe beim Jugendamt

Kommt eine Einigung zwischen den Eltern zur Auflösung der Umgangsverweigerung nicht zustande kann man sich an das am Wohnort des Kindes zuständige Jugendamt wenden mit der Bitte, bei einer Einigung behilflich zu sein. Aufgabe des Jugendamtes ist es, zwischen den Eltern zu vermitteln und zu moderieren. Es kann jedoch durchaus vorkommen, dass sich die Fachkraft beim Jugendamt mit einem Elternteil solidarisiert. Hiervon muss man sich nicht entmutigen lassen, insbesondere sollte man sich nicht zu einer Einigung drängen lassen, die man im Sinne des Kindes nicht vertreten kann (z.B. Umgang nur einmal im Monat ohne nachvollziehbaren Grund).

Auch hier ist die ZEIT im Auge zu behalten. Insbesondere wenn Termine ständig verlegt werden oder ausfallen, die Umgänge aber gleichzeitig nicht oder viel zu wenig stattfinden, ist zum nächsten Schritt überzugehen.

3. Umgangsverweigerung: der Weg zu Gericht

Jedes Kind hat einen rechtlichen Anspruch auf Umgänge mit jedem Elternteil und andersherum, § 1684 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das führt zu dem Recht, bei Bedarf eine konkrete und vollstreckbare gerichtliche Regelung zu erhalten.

Man muss also kein schlechtes Gewissen haben, wenn man wegen einer Umgangsverweigerung zu Gericht geht. Für die meisten Menschen (die nicht Anwalt sind) ist dies natürlich eine komplett ungewohnte, neue und unangenehme Situation. Aber bei drohender oder eingetretener Umgangsverweigerung sollte man nicht zögern. Mit einem nachvollziehbaren Umgangsinteresse wird man bei Gericht auch auf entsprechendes Verständnis treffen.

Gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Kind bei Umgängen gefährdet sein könnte, so muss dem natürlich ernsthaft nachgegangen werden. Bloße Vermutungen oder einseitige Schilderungen reichen nicht aus. Ein Loyalitätskonflikt des Kindes zwischen den Eltern muss vermieden werden. Hier sollte man nachweisen können, dass man Konflikte mit dem anderen Elternteil stets versucht ruhig und sachlich und insbesondere nicht vor dem Kind zu klären.

Zieht sich das Gerichtsverfahren in die Länge (zB durch ein Gutachten) so ist eine Eilentscheidung gemäß § 49 FamFG zu beantragen, um eine weitere Entfremdung zu verhindern. Fanden bereits seit längerer Zeit wegen Umgangsverweigerung keine Umgänge statt, kann eine begleitete Umgangsanbahnung (hier besteht zudem die Möglichkeit, eine Fachperson als Zeugen für gelungene Umgänge zu haben) oder eine Umgangspflegschaft sinnvoll sein.

Bei der beabsichtigten Umgangsregelung ist darauf zu achten, dass die Umgangszeiten konkret und unmissverständlich definiert sind (z.B. „in den ungeraden Wochen von Freitag ab Schulschluss bis Sonntag 18 Uhr am Wohnort der Kindesmutter“, „jeden Mittwoch von 16 bis 19 Uhr, die Übergaben finden am Wohnort des Kindesvaters statt“). Bei einer Umgangsanbahnung kann auch eine konkret gestaffelte Umgangsausweitung festgelegt werden („Ab Mai ´20 gilt folgendes: …, ab Oktober ´20 gilt folgendes: …, etc.“).

Eine gerichtliche Umgangsregelung muss mit Zwangsmaßnahmen durchsetzbar sein (Ordnungsgeld/Ordnungshaft). Leider werden auch von Gerichten nicht immer alle Voraussetzungen hierfür eingehalten. Ein guter Anwalt für Familienrecht ist daher bei Gericht in jedem Fall notwendig.

4. Ordnungsgeld wegen Umgangsverweigerung

Werden gerichtliche Umgangsregelungen nicht eingehalten, entscheidet sich oftmals zu diesem Zeitpunkt, wie sich die Sache weiterentwickelt. Verstößt ein Elternteil ohne sachlichen Grund (z.B. Transportunfähigkeit des Kindes wegen Krankheit) gegen eine gerichtliche Umgangsregelung, ist ein Ordnungsgeld zu beantragen. Hier kann bereits weit im Voraus eine spätere Umgangsverweigerung vermieden werden, insbesondere durch Gerichte, die Ordnungsgelder verhängen und klare Ansagen über Folgen von weiteren Verstößen machen (bis hin zum Aufenthaltswechsel des Kindes).

Leider gibt es immer wieder sehr zögerliche Gerichte, die entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen Ordnungsgelder verweigern.  Hier sollte ein guter Anwalt für Familienrecht keine Hemmung haben, in zweiter Instanz zum Oberlandesgericht zu gehen. Denn grundsätzlich ist die Erhebung von Ordnungsgeldern bei Umgangsverweigerung zwingend.

Ziel ist es hierbei nicht, ein Machtspiel gegen den anderen Elternteil zu gewinnen. Es geht darum, dass gerichtliche Entscheidungen nicht mit der Zeit und zum Nachteil der Kinder aufgeweicht werden. Sollte es tatsächlich dringende Gründe geben, die einen Umgangsausschluss rechtfertigen, so ist bei Gericht einen Eilantrag auf Umgangsausschluss und Aussetzung der Vollstreckung der bisherigen Entscheidung zu beantragen und anhand konkreter Tatsachen zu begründen. Die Entscheidung, ob der Umgang dann tatsächlich auszusetzen ist, liegt weiterhin beim Gericht.

5. Aufenthaltswechsel wegen Umgangsverweigerung

Bei nachhaltiger Umgangsverweigerung ohne sachlichen Grund kommt bisweilen sogar ein Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts in Betracht mit dem Ziel, dass das Kind künftig bei einem selbst wohnen soll. Maßgebliche Begründung ist hierbei, dass der betreuende Elternteil es nicht vermag, das Bindungsbedürfnis des Kindes zum jeweiligen Elternteil zu fördern (Bindungsintoleranz).

Auch hier spielt die ZEIT eine erhebliche Rolle. Wenn aufgrund der Umgangsverweigerung Umgänge länger nicht stattgefunden haben kann eine Entfremdung gegen einen Aufenthaltswechsel sprechen.

Beeinflusst ein Elternteil das Kind nachweislich gegen den anderen Elternteil, kann dies für sich genommen eine Kindeswohlgefährdung darstellen. Eine Manipulation des Kindes mit der Folge, dass das Kind einen zuvor geliebten Elternteil ablehnt oder eine Ablehnung nur äußert, um sich zu Hause geliebt zu fühlen, kann zu schweren Persönlichkeits- und Bindungsstörungen führen, welche sich auf das gesamte Leben negativ auswirken. Zum Nachweis ist in so gelagerten Fällen häufig ein Gutachten notwendig. Anwaltliche Beratung ist in diesem Falle dringend zu empfehlen.

Findet der Aufenthaltswechsel statt, sollte man mit gutem Beispiel vorangehen und Umgänge zum anderen Elternteil gewähren, bei sachlichen Bedenken ist ein Umgangsverfahren einzuleiten.

6. Umgangsausschluss wegen Umgangsverweigerung

Würde die Anordnung von Umgängen eine Kindeswohlgefährdung bedeuten, kommt auch ein Umgangsausschluss in Betracht, § 1684 Absatz 4 BGB. Hier ist aber ganz besonders der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten: Es müssen alle Maßnahmen ausgeschöpft sein (Ordnungsgelder, Ordnungshaft, Umgangsbegleitung, Umgangspflegschaft), auch die Möglichkeiten eines Aufenthaltswechsels und der Fremdunterbringung müssen geprüft worden sein. Aufgrund des besonders starken Eingriffs in das Elternrecht soll ein Umgangsausschluss zeitlich begrenzt werden, jedenfalls ist ein Umgangsausschluss gemäß § 1696 Abs. 2 BGB regelmäßig gerichtlich zu überprüfen, nach dem Beschluss des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 17.05.2011 „in regelmäßigen Abständen von längstens einem Jahr“.

Auch bei einem Umgangsausschluss wegen Umgangsverweigerung verbleiben weitere Handlungsmöglichkeiten. Es sollte möglichst früh besprochen und herausgearbeitet werden, welche konkreten Voraussetzungen für den neuerlichen Versuch einer Kontaktanbahnung vorliegen müssen, und was beide Elternteile zu diesem Zweck beitragen sollen (z.B. regelmäßige Elternberatung, Therapie für das Kind, etc.). Möglich sind auch regelmäßige Briefe oder Geschenke an das Kind.

Auch gibt es ein Informationsrecht, um regelmäßig über die persönlichen Verhältnisse des Kindes informiert zu werden, § 1686 BGB.

7. Zusammenfassung

Um unnötige Belastungen für das Kind zu vermeiden ist bei einer drohenden oder eingetretenen Umgangsverweigerung möglichst früh zu intervenieren. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich eine ablehnende Haltung beim Kind verfestigt. Mit einem rasch angesetzten Gerichtstermin (in Kindschaftssachen „spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens“, § 155 Abs. 2 FamFG) und deutlichen Ansagen des Gerichts an die Eltern können klare Verhältnisse geschaffen und eine Eskalation verhindert werden.

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