Wie kann ein ungeborenes Kind seinen Anspruch auf Feststellung seiner Vaterschaft geltend machen? Diese Frage hört sich erstmal etwas seltsam und lebensfern an, aber das Oberlandesgericht München musste im April 2016 über einen solchen Fall entscheiden.
Und zwar hatte das Jugendamt der Stadt München im Januar 2016 als Beistand des damals ungeborenen Kindes beim Amtsgericht München den Antrag gestellt, festzustellen, dass der Herr Bernd Wi. der Vater des noch ungeborenen Kindes der Frau W. ist. Dabei hatte das Jugendamt vorgebracht, dass der Herr Bernd Wi. während der gesetzlichen Empfängniszeit der Frau W. beigewohnt habe. In diesem Zeitraum habe die Frau W. mit keinem anderen Mann Geschlechtsverkehr ausgeübt. Der vermeintliche Vater verweigerte die Anerkennung der Vaterschaft jedoch ausdrücklich, sodass aus Sicht des Jugendamtes eine gerichtliche Feststellung notwendig sei. Das Jugendamt war weiterhin der Meinung, dass das antragstellende ungeborene Kind diesen Anspruch auf Feststellung der Vaterschaft vorgeburtlich geltend machen könne.
Das Amtsgericht München sah dies allerdings anders und wies den Antrag des Jugendamtes ohne rechtliches Gehör mit Beschluss vom 03.02.2016 zurück. Die Möglichkeit der Vaterschaftsfeststellung sei für das ungeborene Kind gesetzlich nicht eröffnet. Daraufhin legte das Jugendamt sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss ein.
Das Oberlandesgericht München hat dann in seinem Beschluss vom 13. April 2016[1] den Beschluss des Amtsgerichts München vom 03.02.2016 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Es führt in seiner Begründung aus, dass dem Jugendamt durch das Gesetz[2] als Beistand des Kindes auf schriftlichen Antrag eines Elternteil die Aufgaben der Feststellung der Vaterschaft und der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen übertragen werden können. Dieser Antrag auf Beistandschaft kann auch für ein ungeborenes Kind gestellt werden.[3]
Das Jugendamt war demnach zur Stellung des Antrages berechtigt, weil die Mutter des damals ungeborenen Kindes gemäß § 1714 BGB, der nach der Geburt des Kindes auch die elterliche Sorge zustehen würde, einen beim Jugendamt einen Antrag auf Beistandschaft gestellt hatte. Die vorgeburtliche Beistandschaft des Jugendamtes war demnach vollkommen rechtmäßig entstanden.
Das OLG München schloss sich insoweit dem OLG Schleswig an, dass bereits im Jahre 1999 entschieden hatte, dass das noch nicht geborene Kind, gesetzlich vertreten durch den Beistand bereits rechtsfähig und beteiligtenfähig ist.[4]
Denn auch das noch ungeborene Kind ist der Auffassung des Gesetzgebers zufolge rechtsfähig, soweit es um den Vorteil und die Wahrung von Rechtspositionen geht.[5] Nun hat das Amtsgericht München wiederum über die Sache zu entscheiden und muss gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Vaterschaft einholen.
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[1] Aktenzeichen 16 UF 242/16
[2] §§ 1712 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 1713 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB
[3] Palandt/Götz, BGB, 75. Auflage, § 1713 Rn.6
[4] Aktenzeichen 13 WF 122/99
[5] Palandt/Ellenberger, BGB, § 1 Rn.7